Die Bukowina im II. Weltkrieg – (3)

Teil 3: Das Leben der Bewohner der Nordbukowina unter sowjetischer Besetzung

Willi Kosiul

Aus der Website des Willi Kosiul
Hier wiedergegeben mit freundlicher Genehmigung des Sohns des Autors
21. Februar 2021


Teil 2: Die Besetzung des nördlichen Teils der Bukowina durch die Sowjetarmee


Bei der sowjetischen Besetzung der nördlichen Bukowina am 28. Juni 1940 und auch noch danach, waren die Bewohner der Bukowina aller Konfessionen und Volkszugehörigkeiten –außer den Juden sowie Kommunisten- entsetzt sowie betroffen. Selbst viele Ukrainer waren davon nicht begeistert. Nur die Juden der Nordbukowina sahen zum großen Teil darin einen Hoffnungsschimmer für ihre weitere Existenz. In ihrer Angst vor den in Rumänien anwachsenden Nationalismus und Antisemitismus sahen sie den Einmarsch der Sowjetarmee in die nördliche Bukowina als ihre Rettung und Befreiung. Doch diese politische Haltung der jüdischen Bevölkerung sowie einiger ukrainischer Kommunisten der Nordbukowina, erzeugte bei den anderen Nationalitäten der Nordbukowina, besonders bei den Rumänen wie auch bei den Deutschen, Enttäuschung sowie Entrüstung hervor und führte auch bis zu ihrer Verachtung.

Die Sowjetarmee hatte die Landeshauptstadt Czernowitz noch nicht voll besetzt, da begann schon der Kampf der jüdischen und ukrainischen Kommunisten um die Vormachtstellung im Rathaus und in der Stadt. Erst als nach einigen Tagen die sowjetische Besatzungsmacht in Czernowitz eine provisorische Militärverwaltung eingesetzt hatte und diese dort ihre Arbeit aufnahm, ohne die örtlichen kommunistischen Rivalen daran zu beteiligen, da wurde diese politische Rivalität zwischen den Juden und den ukrainischen Kommunisten beendet.

In der Landeshauptstadt Czernowitz postierten sich sowjetische Panzer sowie auch Soldatengruppen an wichtigen Plätzen, Kreuzungen sowie Verwaltungsgebäuden und größeren Versorgungseinrichtungen. Sie besetzten demonstrativ diese wichtigen Positionen und demonstrierten dabei gegenüber der Bevölkerung ihre Macht und die alleinige Herrschaft. Über die befestigte Fernverkehrsstraße von Czernowitz nach Süden, wie nach Sereth sowie Storozynetz und Czudyn fuhren Tag und Nacht sowjetische Panzer sowie mit Pferdewagen bespannte Infanterie, um den nördlichen Teil der Bukowina bis an den Fluss sowie die Stadt Sereth und Seletin militärisch zu besetzen und von Rumänien abzuriegeln.

Schon diese plötzliche sowie überraschende sowjetische Besetzung der nördlichen Bukowina und dann das viele sowjetische Militär sowie das laute Motorengeräusch an den Durchfahrtsstraßen hatten die Mehrheit der Bewohner der nördlichen Bukowina schon sehr aufgeschreckt sowie beunruhigt. Nach der Errichtung der sowjetischen Militärverwaltung in Czernowitz sowie der Militär-Kommandanturen in den Kreisstädten sowie Militär-Gruppenposten in den Marktgemeinden und großen Ortschaften wurden sowjetische Patrouillen eingesetzt, die für Ruhe, Ordnung sowie Sicherheit sorgten. Dabei wurden auch die örtlichen Plünderungen unterbunden und nächtliche Einbrecher sowie Plünderer auf frischer Tat gestellt oder einige auf der Flucht auch erschossen. Nach einigen Tagen hatten die Plünderungen nachgelassen und auch die jubelnden Juden –auf ihre „Befreier“- hatten sich beruhigt.

Während in den Städten der südlichen rumänischen Bukowina, Sereth, Radautz, Suczawa und Umgebung die Mehrheit der Bewohner Angst hatten und dabei befürchteten, dass die sowjetischen Truppen eventuell noch weiter nach Süden vorrücken und auch noch ihre Gegend einnehmen könnten, gab es auch dort einige sowjetischfreundliche Kräfte die das begrüßt hätten. Besonders in den Städten Sereth sowie in Radautz gab es einige kommunistisch gesinnte Ukrainer sowie auch Juden, die es bedauerten und damals auch enttäuscht waren, das die sowjetischen Truppen auch Sereth und Radautz nicht besetzt hatten. Viele solcher sowjetischfreundliche Ukrainer und auch Juden packten danach ihre Sachen, verließen damit mit Pferdefuhrwerken das rumänische Sereth sowie auch Radautz und begaben sich fluchtartig in die sowjetisch besetzte Nordbukowina sowie nach Czernowitz zu ihren „Freunden und Befreiern“.

Nach einigen Tagen sowjetischer Besetzung erlebten viele jüdische Bürger von Czernowitz und der gesamten Nordbukowina eine große Enttäuschung. Sämtliche Fabriken, Geschäfte und Warenlager -auch der Juden- wurden überall durch das sowjetische Militär beschlagnahmt und requiriert. Die wohlhabenden jüdischen Besitzer wurden als Kapitalisten enteignet, viele dabei inhaftiert und eingesperrt. Da die meisten Eigentümer dieser beschlagnahmten sowie der enteigneten Objekte jüdische Bürger waren, war die Enttäuschung der Juden darüber sehr groß, was ihre „Befreier“ jetzt mit ihnen taten.

Die sowjetische Militäradministration in Czernowitz erließ einen Aufruf an alle Bürger der Nordbukowina, sofort ihre Waffen abzugeben. Da die Juden schon aus rumänischer Herrschaftszeit die meisten legalen zivilen Waffen besaßen und sich in der Zeit des Machtwechsels auch noch militärische Handfeuerwaffen angeeignet hatten, hatten sie jetzt die allermeisten Waffen abzugeben.

Als die Bürger dann ihre Waffen in den Sammelstellen abgaben, wurden sie auch danach befragt, woher sie alle diese Waffen hatten. Dabei wurden auch viele Juden verhaftet, mehrere Wochen inhaftiert gehalten und dabei verhört, woher- warum und wozu sie diese Waffen besaßen. Unter diesen inhaftierten Waffenbesitzern, waren die meisten jüdische Bürger, die auch hier von ihren „Befreiern“ enttäuscht wurden.

Die gesamte Verwaltung sowie auch das Geschäftsleben waren nach der sowjetischen Besetzung der Nordbukowina für zwei Wochen erlahmt. Alle Geschäfte waren geschlossen, die Waren durch die sowjetische Militärverwaltung beschlagnahmt und verstaatlicht. In der Versorgung der Bevölkerung traten Mangelerscheinungen sowie Probleme auf und jetzt war hier die Eigenversorgung aus der eigenen Hauswirtschaft gefragt.

In den Städten und größeren Ortschaften wurden staatliche Magazine (= wie Konsumläden) zur Versorgung der Bevölkerung eröffnet, doch die darin angebotenen Waren, waren in ihrer Art sowie Qualität recht primitiv und in der Menge auch nicht ausreichend um die Bevölkerung zu versorgen. Die bis dahin reicheren sowie auch wohlhabenden Leute, die eine bisher bessere Versorgung gewöhnt waren, mussten sich gewaltig umstellen sowie viele für sie notwendige Lebensmittel unter der Hand kaufen.

Da die ländliche Bevölkerung sich schon immer überwiegend aus ihre Hauswirtschaft versorgt hatte, traf dieser neue Zustand -mit den Engpässen in der Versorgung- sie nicht so hart. Doch die städtischen Bewohner, die weder eine Hauswirtschaft noch einen großen Garten hatten und sich schon bisher auch alles zu ihrer Versorgung kaufen mussten, die waren jetzt sehr schlecht dran. Sie mussten sich jetzt öfter unter der Hand noch etwas an Lebensmitteln dazu besorgen.

Mit der sowjetischen Besetzung der Nordbukowina, wurden alle darin lebenden Volksgruppen –nach den sowjetischen Gesetzen- automatisch sowjetische Staatsbürger und hatten danach sowie daraus alle ihre staatsbürgerlichen Pflichten zu erfüllen, einschließlich der Ableistung ihrer Militärdienstpflicht. Nur die deutschstämmigen Bewohner der Nordbukowina, die zur Umsiedlung in das Deutsche Reich angenommen wurden, waren davon ausgeschlossen. Sie waren nicht automatisch zu sowjetischen Staatsbürgern geworden und unterstanden –mit ihrer Annahme zur Umsiedlung- sofort der Sicherheit und dem Schutze des Deutschen Reiches.


Teil 4: Die Wiederbesetzung der Nordbukowina 1941 durch die rumänische Armee