Die Bukowina im II. Weltkrieg – (2)

Teil 2: Die Besetzung des nördlichen Teils der Bukowina durch die Sowjetarmee

Willi Kosiul

Aus der Website des Willi Kosiul
Hier wiedergegeben mit freundlicher Genehmigung des Sohns des Autors
21. Februar 2021


Teil 1: Der Beginn des Zweiten Weltkrieges


Am 23. Juni 1940 teilte die sowjetische Regierung aus Moskau der deutschen Reichsregierung in Berlin mit, das sie jetzt die Absicht hätte, die Besetzung der restlichen Gebiete vorzunehmen, die ihnen im geheimen deutsch-sowjetischen Vertrag von August 1939 –als ihre Interessensphäre- zugesprochen wurden. Dabei erläuterte Moskau die bevorstehende militärische Besetzung Bessarabiens und das sie darüber hinaus, von Rumänien auch die Abtretung des Gebietes der nördlichen Bukowina verlangen würden. Somit informierte die sowjetische Regierung aus Moskau die deutsche Reichsregierung in Berlin -durch einen Notenaustausch-, über die bevorstehende militärische Besetzung der rumänischen Gebiete Bessarabien und der nördlichen Bukowina.

Am 26. Juni 1940 wurde in einer weiteren sowjetischen Note an Berlin, dem Deutschen Reich zugesichert, die laut dem geheimen Protokoll vom 23. August 1939 zugesicherten und festgelegten deutschen Interessensphären von sowjetischer Seite zu berücksichtigen und zu achten. Deswegen soll nur der nördliche Teil der Bukowina durch sowjetische Truppen besetzt werden. Da das Deutsche Reich dagegen –gegen die Besetzung der nördlichen Bukowina- nach wie vor keinen Einspruch erhoben hatte, war es dann auch bei dieser beabsichtigten sowjetischen Besetzung auch so geblieben und die sowjetische Armee konnte ungehindert zur Tat schreiten, in die Offensive gehen und diese Gebiete militärisch besetzen. Am 26. Juni 1940 forderte die Sowjetregierung in einem Ultimatum, über den rumänischen Botschafter in Moskau, von der rumänischen königlichen Regierung in Bukarest, die Abtretung Bessarabien und des nördlichen Teils der Bukowina, bis an die Linie des Flusses und der Stadt Sereth und der Ortschaft Seletin. Die neue sowjetisch-rumänische Grenze war in einer beigegebenen Langkarte fixiert. Da dieses einstige moldauische Gebiet Bessarabien von 1812 bis nach dem Ersten Weltkrieg 1918 zu Russland gehörte, wollte die Sowjetunion es jetzt -1940- wieder zurück haben.

Bereits am 01. Mai 1919 hatte damals das junge Sowjetrussland diese selben Forderungen an Rumänien erhoben, was jedoch damals durch Rumänien abgelehnt worden war. Da die Sowjetunion damals militärisch zu schwach war, sich ihre Landschaft Bessarabien mit Gewalt zurück zu erobern und sie genügend innere Unruhen sowie revolutionäre Probleme sowie Kämpfe im eigenen Lande hatte, hatte sie danach davon Abstand genommen. Doch im Jahre 1940 sah die Sowjetunion -als eine gefestigte Weltmacht- die Zeit für gekommen, mit Billigung ihres „Freundes“ (= des Deutschen Reiches), sich ihr seit 1812 einstiges Land Bessarabien, wieder zurück zu holen.

Bei der Besetzung der nördlichen Bukowina ging damals die Sowjetunion davon aus, das in diesem nördlichen Teil der Bukowina überwiegend Ukrainer lebten und sie deswegen den Anspruch erhoben, diese ihre Landsleute mit ihrer ursprünglichen Heimat der Ukraine zu verbinden und zu vereinigen. Moskau begründete ihre Besetzung der nördlichen Bukowina, auch mit der geschichtlichen Tatsache, das diese historische Landschaft einst zum Fürstentum Kiew gehörte und später auch unter der staatlichen Verwaltung Lembergs = Galiziens stand, was seit 1939 auch zur Sowjetunion gehörte. Daher forderte am 26. Juni 1940 die sowjetische Regierung in diesem Ultimatum, die rumänische Regierung auf, diese Gebiete –Bessarabien und die Nordbukowina- friedlich abzutreten und funktionstüchtig am 28. Juni 1940 der Sowjetunion nicht nur zu überlassen sondern auch ordentlich zu übergeben. Binnen 3 Tagen hatte die rumänische Regierung ihre Truppen aus diesen Gebieten zurück zu ziehen, es zu räumen und kampflos an die Sowjetarmee für immer zu überlassen. Bereits bis 27. Juni 1940 sollte sich Rumänien entscheiden, sich diesem sowjetischen Ultimatum zu fügen, der Abtretung Bessarabien und der nördlichen Bukowina zuzustimmen und die Sowjetregierung davon in Kenntnis setzte, was dann auch so geschehen war. Dadurch wurde jetzt auch hier die Umsiedlung der dortigen Deutschen aus Bessarabien und der nördlichen Bukowina aktuell.

Großrumänien war zu schwach, sich der Aufforderung dieser großen Macht Sowjetunion alleine entgegen zu setzen. Dieser großen militärischen Übermacht der Sowjetunion, hatte die rumänische Regierung nichts Wirksames entgegen zu setzen und ihre westlichen Verbündeten hatten Rumänien im Stich gelassen. Dieses sowjetische Ultimatum ließ der rumänischen Regierung nur 2 Tage Zeit sich zu entscheiden. Daher gab es da keine Zeit für Überlegungen und auch keine Zeit für diplomatische Verhandlungen, es war von der Sowjetunion absolut bestimmend und absolut eingefordert. Großrumänien hatte in einem Krieg gegen die Sowjetunion keine Chance. Ihre Armee war der Sowjetarmee auch zahlenmäßig absolut weit unterlegen. Die rumänische Armee war ungenügend ausgebildet, nur schwach ausgerüstet sowie veraltet und hatte dazu auch noch eine sehr schwache Kampfmoral.

Die rumänische Regierung ersuchte zunächst Großbritannien erfolglos um Unterstützung. Die rumänische Hoffnung auf die Unterstützung durch das Deutsche Reich, ging auch nicht in Erfüllung, weil das Deutsche Reich zu dieser Zeit mit der Sowjetunion einen Freundschafts- und Nichtangriffspakt hatte. Als sich die rumänische Regierung Hilfe suchend nach Berlin wandte, in der Hoffnung von dort Unterstützung zu erhalten, wurde ihr aus Berlin nur der Rat erteilt, die sowjetischen Forderungen zu erfüllen, weil das Deutsche Reich keinen Krieg zwischen Russland und Rumänien wünsche. So empfahl das Deutsche Reich der rumänischen Regierung, das Land Bessarabien und die Nordbukowina friedlich an die Sowjetunion abzutreten sowie das durch die Sowjetunion vorgegebene Ultimatum einzuhalten und dadurch einen Krieg zu verhindern. Danach blieb der rumänischen Regierung nichts anderes übrig, als sich zu beugen und die von der Sowjetunion geforderten Gebiete friedlich zu räumen und sie der Sowjetunion zu überlassen. Da die Aufteilung der Interessensphären beider Länder, des Deutschen Reiches und der Sowjetunion, bereits vereinbart sowie auch schon veranlasst war, konnte das Deutsche Reich Rumänien weder beistehen noch helfen. Daher empfahl Berlin der rumänischen Regierung dringend sich diesem sowjetischen Ultimatum zu beugen, die Bedingungen der Sowjetunion vom 26. Juni 1940 anzunehmen, das Gebiet Bessarabien und der nördlichen Bukowina termingerecht zu räumen, es der Sowjetunion abzutreten und dadurch einem Krieg aus dem Wege zu gehen.

Am 25. Juni 1940 erhielt der deutsche Diplomat in Moskau Schulenburg vom reichsdeutschen Außenminister Ribbentrop die Anweisung, den sowjetischen Außenminister Molotow in Moskau darüber zu unterrichten, dass das Deutsche Reich zu den deutsch-sowjetischen Verträgen stehe. Es sei an dieses sowjetisch interessierte Gebiet nicht interessiert sondern nur an die dort lebenden Deutschen. Das Deutsche Reich erwartete daher von der Sowjetunion, dass bei dieser sowjetischen militärischen Besetzung dort mit den Deutschen behutsam umgegangen und ihre Zukunft sichergestellt wird. Die deutsche Reichsregierung behalte sich vor, über die Umsiedlung dieser Deutschen in das Deutsche Reich, mit der sowjetischen Regierung noch in Verhandlungen zu treten. Diese deutsche Botschaft wurde in Moskau durch die Sowjetregierung zur Kenntnis genommen und danach auch gehandelt. Nach diesem kurzen Ultimatum der Sowjetregierung vom 26. Juni 1940 an die rumänische Regierung, binnen 3 Tagen die Nordbukowina und Bessarabien zu räumen und es der Sowjetunion für immer zu überlassen, entschied sich die rumänische Regierung, nach erfolgloser Suche um militärischer Hilfe, gezwungenermaßen diesem sowjetischen Ultimatum zu folgen. So blieb der rumänischen Regierung keine andere Wahl als diese sowjetischen Forderungen zu erfüllen und die rumänischen Truppen schnellstens aus diesen geforderten Gebieten abzuziehen. Alle rumänischen Truppen –die in diesen Gebieten stationiert waren, erhielten aus Bukarest den Befehl, sich nicht den einmarschierenden sowjetischen Truppen zum Kampf zu stellen, sondern sich ihnen gegenüber loyal zu verhalten bzw. bereits vorher dieses Territorium, kampflos zu räumen. Dabei sollte alles bewegliche militärische Eigentum mitgenommen und auf das rumänische Hoheitsgebiet überführt werden. Die rumänische Landesregierung sowie auch Staatsbeamte anderer Verwaltungsstellen und auch viele wohlhabende Rumänen flüchteten aus der Landeshauptstadt Czernowitz sowie auch aus anderen Orten der Nordbukowina mit der Eisenbahn oder auch Pferdewagen nach Süden auf rumänisches Gebiet. Auch die aktiven Mitglieder der nationalistischen „Eisernen Garde“ u. a. flohen vor den Russen. Die Mehrheit der rumänischen Bewohner der Nordbukowina blieb jedoch ruhig, zurückhaltend und verängstigt dort in ihren Wohngebieten zurück.

Die dortigen deutschen Bewohner blieben in dieser Zeit dort ruhig sowie gelassen und warteten ab, was dabei und dadurch auf sie zukommen wird. Sie gingen dabei hoffnungsvoll davon aus, dass sie nach der sowjetischen Besetzung der Nordbukowina von dort, in das Deutsche Reich umgesiedelt werden, wie das bereits 1939 mit den Wolhyniendeutschen und auch Galiziendeutschen erfolgt war. So zogen die rumänischen Truppen kampflos aus der Nordbukowina ab und übergaben dieses Gebiet der Sowjetarmee. Danach bat die rumänische Regierung das Deutsche Reich um die Entsendung einer deutschen Militärmission nach Rumänien, damit dadurch eventuellen weiteren Absichten der Sowjetunion auf weitere rumänische Gebiete Einhalt geboten wird und damit Rumänien zu helfen ihre Grenzen zu schützen. Da die englisch-französische vertraglich zugesicherte Garantie von April 1939, der Sicherheit Rumäniens jetzt unwirksam sowie sinnlos geworden war, trat Rumänien verärgert auch sofort aus dem Völkerbund aus. In den Tagen des 27. und 28. Juni 1940 –zwischen dem fluchtartigen Abzug der rumänischen Verwaltung und der Übernahme der sowjetischen Militäradministration- gab es in den Städten und Marktgemeinden, an öffentlichen Einrichtungen auch einige Plünderungen durch die dortigen Einwohner. In den Städten und auch anderen größeren Ortschaften waren in diesen Tagen alle Geschäfte -aus Sicherheitsgründen- geschlossen. Auf den Bahnhöfen -auch aus den Waggons heraus- sowie auch aus großen Lagerhallen wurden, durch die dortigen Bewohner, vorrangig Lebensmittel, aber auch andere brauchbare und transportable Waren, geplündert = erbeutet und nach Hause getragen. Selbst rumänische militärische Heeresbestände, die durch das rumänische Militär nicht mehr evakuieren werden konnten, wurden zur Mitnahme für die Bewohner frei gegeben. Wer gerade zu solchen passenden Zeiten an diesen Orten war, der konnte mitnehmen was er wollte und tragen konnte. Es sollte nichts zurück bleiben und nichts den Russen in die Hände fallen.

So z. B. befand sich am 27. Juni 1940 mein damals 21-jähriger Bruder im Zentrum unserer Marktgemeinde Czudyn und erfuhrt dort plötzlich, das auf dem dortigen Bahnhof etwas zu holen bzw. zu erbeuten war. Sofort ging mein Bruder zum Bahnhof und sah wie viele Leute aus den dort abgestellten Waggons Säcke mit Mehl und noch andere Sachen erbeuteten. Da packte auch mein Bruder einen vollen Sack Weizenmehl auf den Rücken und brachte diesen schweren Sack –unter Einlage vieler Rastpausen- die drei Kilometer Wegstrecke zu uns nach Hause. Als er danach nochmals zum Bahnhof ging um noch mehr zu erbeuten, da war bereits alles abtransportiert und dort nichts mehr vorhanden. Meine Mutter lobte dafür meinen Bruder und bedauerte ihn auch wegen dieser schweren Last. Doch am Ende freute sie sich auch über das viele Weizenmehl, denn so viel Weizenmehl hatte meine Mutter nie auf einmal zu Hause gehabt. Das reichte uns bis zu unserer Umsiedlung im Oktober 1940 aus.

Doch auch verlassene Wohnungen reicher geflüchteter Rumänen wurden besonders in den Städten vollkommen ausgeplündert und von den Leuten dieser Umgebung alles mitgenommen was da abgetragen werden konnte. Die jüdischen Bürger der Landeshauptstadt Czernowitz hatten sich in dieser Zwischenzeit des Machtwechsels, auf ihre dortige Machtübernahme vorbereitet und dazu wollten sie auch –gegenüber ihren ukrainischen kommunistischen Rivalen- bewaffnet sein. Bisher hatten die reichen sowie wohlhabenden Juden in der Bukowina die meisten legalen registrierten zivilen Waffen in ihrem Besitz. Die armen Leute hatten dafür weder das Geld noch ein Interesse daran. Doch in dieser Zwischenzeit des Machtwechsels, wo andere Leute nach Lebensmittel plünderten, da konzentrierten sich die Juden auf die rumänischen Waffenlager, erbeuteten dabei auch viele Handfeuerwaffen sowie Munition und besetzten danach auch einige öffentliche Gebäude, als Zeichen ihres Machtanspruchs in Czernowitz und auch der nördlichen Bukowina. Mit ihren bisherigen legalen privaten zivilen Waffen, sowie auch mit den jetzt erbeuteten militärischen Handfeuerwaffen bedrängten auch einige Gruppen jüdischer Jugendlicher die abziehende rumänische Armee. Sie sollten schneller dieses Gebiet verlassen, was oft auch zu hasserfüllten Szenen und auch zu Schießereien zwischen diesen bewaffneten Juden und den sich zurückziehenden rumänischen Soldaten führte.

So marschierte am 28.Juni 1940 die Sowjetarmee ohne Kampfhandlungen in Bessarabien sowie in das Gebiet Hertza, wie auch in die nördliche Bukowina und ihre Landeshauptstadt Czernowitz ein und besetzten es für immer. An diesem 28. Juni besetzten die sowjetischen Truppen vorrangig blitzartig die Städte Kischinew und Akkerman in Bessarabien sowie Czernowitz in der nördlichen Bukowina. Am 29. Juni bis 12,00 Uhr war dann dieses gesamte Gebiet auch der nördlichen Bukowina bis zur Stadt und dem Fluss Sereth, sowie bis nördlich von Oberwikow sowie Karlsberg und Seletin sowie der Gemeinde Berhomed, bereits von sowjetischen Truppen besetzt. Danach standen die sowjetischen Truppen unmittelbar vor der Stadt Sereth. Nur noch 20 km von Radautz und auch nicht all zu weit von der Stadt Suczawa entfernt. Dort richteten sie ihre sowjetische Grenze zu Rumänien ein, die auch heute dort noch so vorhanden ist. Die sowjetischen Truppen rückten mit ihren Panzern sowie auch anderen Kraftfahrzeugen so schnell nach Westen und Südwesten vor, dass die rumänischen Soldaten zu Fuß oft gar keine Zeit hatten, so schnell diese Gegend zu verlassen und sich rechtzeitig nach Südwesten zurück zu ziehen. Dabei hatten oft sowjetische Einheiten bei ihrem Vormarsch, rumänische Einheiten bei ihrem Rückzug überholt und diese hinter sich gelassen. Sie ließen auch dabei die rumänischen Truppen abziehen. Die rumänischen Truppen blieben dabei „friedlich“ und handelten nach ihren Rückzugsbefehlen. Die vorrückenden sowjetischen Einheiten ließen diese bewaffneten militärischen Einheiten aus diesem Gebiete nach Rumänien auch abziehen und so kam es auch zu keinerlei Zwischenfällen. Die sich zurückziehenden rumänischen Einheiten waren so schlecht bewaffnet und ungenügend ausgerüstet, dass sie auch gar keinen wirksamen Widerstand hätten leisten können. Sie wären alle dabei unweigerlich, durch die massenweise vorrückenden sowjetischen Truppen und Panzereinheiten vernichtet worden oder in sowjetische Gefangenschaft geraten.

So zogen auch danach noch, nach und nach die rumänischen Einheiten ungehindert nach Rumänien ab und überließen dieses Gebiet Bessarabien und die Nordbukowina kampflos der Roten Armee. Auch die rumänischen Politiker und reiche Rumänien sowie die, die der rumänischen nationalistischen Partei angehört hatten oder antisowjetisch gesinnt waren, hatten sich beeilt die Bukowina –noch vor dem Eintreffen der Roten Armee- fluchtartig zu verlassen. Die deutsche Bevölkerung dagegen hatte sich dieser Fluchtbewegung nicht angeschlossen, sondern sie verblieb dort in ihren Wohnungen und Gemeinden ruhig sowie zurückhaltend und warteten darauf, was danach für sie folgen wird. Auch die deutschen politischen Führungsmänner der deutschen Volksgruppe, wie auch der „Gauleiter der Deutschen in der Bukowina“ Professor Lohmer, blieben in Czernowitz, unter der sowjetischen militärischen Besetzung.

Die bisherigen Strukturen der deutschen Volksgruppe der Bukowina blieben überall weiterhin erhalten. Nur wegen der Teilung der Bukowina, hatte Professor Lohmer den deutschen Ingenieur Johann Krotky in Gurahumora als seinen Stellvertreter für den Verantwortungsbereich der rumänischen südlichen Bukowina ernannt und eingesetzt. Die abziehenden rumänischen Soldaten wurden, besonders in den Städten wie Czernowitz u. a. von zivilen Menschengruppen, wie besonders von jüdischen jungen Männern beschimpft, bedrängt und in Konflikten verwickelt. Diese jüdischen zivilen Menschengruppen versuchten sogar die rumänischen Soldaten zu entwaffnen, was ihnen aber nicht gelang und dabei oft auch zu Schießereien führte. Die Landeshauptstadt Czernowitz hatte zu dieser Zeit insgesamt etwa 140.000 Einwohner. Im Juni 1940 hatte die gesamte Bukowina insgesamt 926 Ortschaften (Städte, Marktgemeinden, Landgemeinden und Dörfer), wovon nach der sowjetischen Besetzung 490 im nördlichen sowjetischen Teil lagen und 436 im südlichen rumänischen Teil geblieben waren. Auch in der südlichen Bukowina herrschte bereits damals die Angst und dort stand die Frage, ob die Sowjetarmee auch nicht noch die Südbukowina besetzen wird. Führende Politiker des Magistrats von Czernowitz mussten –laut Forderung der operativen sowjetischen Befehlshaber der Armee- die sowjetische militärische Führungsspitze an der Flussbrücke am Pruth bei Czernowitz empfangen, sie in den Czernowitzer Magistrat geleiten und ihnen dort die Stadt Czernowitz mit all ihren Einrichtungen und Versorgungsbetrieben ordentlich, funktionstüchtig und störungsfrei übergeben. So ist es dann auch erfolgt.

Erst als das alle so übergeben war –vom Führungsapparat bis zu Objektsicherung des Magistrats, erst dann konnten diese restlichen rumänischen Politiker mit ihrer Bewachung und Nachhut ungehindert die Bukowina verlassen und sich nach Rumänien begeben. Als diese restlichen führenden Politiker des Magistrats von Czernowitz, auftragsgemäß des sowjetischen Generals- mit ihrem Auto zur Pruthbrücke fuhren, um dort die Spitze der anrückenden Sowjetarmee zu empfangen, konnten sie miterleben, wie die Sowjetarmee bei ihrem Einmarsch in Czernowitz, von jüdischen Jugendlichen und Studenten mit großer Freude, Blumen und roten Fahnen freudig empfangen und als ihr Befreier umjubelt wurden. Auf den Plätzen und Straßen in Czernowitz hatten sich Menschenmengen, überwiegend jüdische Bürger, versammelt, einige davon auch bewaffnet und jubelten der Roten Armee zu. Auch die Garnison der 8. rumänischen Division wurde in Czernowitz von Menschengruppen belagert und auch bewaffnete rumänische Soldaten wurden auf der Straße angehalten und am gehen behindert, so dass sie sich gewaltsam mit ihren Gewehren ihren Durchgang bzw. Weitergang verschaffen mussten. Als eine Menschengruppe die Kaserne der 8. rumänischen Division stürmen wollte, da wurde –durch das rumänische Militär- auf sie das Feuer eröffnet und dadurch diese Erstürmung der Kaserne verhindert. Dabei wurden jedoch zwei Zivilpersonen erschossen, die jüdische Bürger waren. Auch in dieser sowjetisch freundlichen aufgebrachten und angriffsbereiten Menschenmenge waren überwiegend jugendliche Juden, die demonstrativ gegen die bisherige Herrschaft der Rumänen auftraten und dabei auch ihr Leben riskierten. Die führenden rumänischen Politiker des bisherigen Czernowitzer Magistrats waren von dieser sowjetisch freundlichen Haltung besonders der jüdischen Bürger überrascht, enttäuscht und verärgert bis hasserfüllt. Solch eine sowjetische Sympathie und solch einen Hass gegen die Rumänen, hatten sie von den jüdischen Czernowitzer Bürger nicht erwartet. Diese freudige Sympathie der jüdischen Bürger von Czernowitz und auch in anderen Orten der Nordbukowina, die im Juni 1940 der Sowjetarmee bei ihrem Einmarsch entgegen gebracht wurde, wurde bereits damals von rumänischen Politikern, als Verrat der Juden an Rumänien angesehen und gewertet.

Darüber schrieben Frau Bornemann und Dr. Wagner aus Czernowitz, sinngemäß folgendes: Am 28. Juni 1940 wurden zuerst die rumänischen Städte Kischinew, Akkermann und Czernowitz durch die Sowjetarmee besetzt und danach auch diese Gebiete Bessarabien und die Nordbukowina. Am 28. Juni 1940 sollte um 14,00 Uhr der Bürgermeister der Landeshauptstadt der Bukowina –Czernowitz- die sowjetischen Besatzer an der Pruthbrücke –vor den Toren von Czernowitz- erwarten sowie empfangen und ihnen danach die Stadt Czernowitz übergeben. Da der rumänische Bürgermeister von Czernowitz bereits am Morgen des 28. Juni 1940 Czernowitz verlassen und nach Bukarest geflohen war, beauftragte er seinen rumänischen Vizebürgermeister diese Aufgabe = die Übergabe der Stadt Czernowitz an die Sowjetarmee zu erledigen. Dieser rumänische Vizebürgermeister bat den hier zurückbleibenden Buchenlanddeutschen und auch Vizebürgermeister von Czernowitz Dr. Franz Kopecki ihm dabei zu begleiten, was dieser auch tat.

In einem Artikel im „Kaindl Archiv“ Nr. 3/1982 S. 29 – 33, unter „Meine Erinnerungen an den Einmarsch der Truppen der UdSSR in Czernowitz im Juni 1940“, berichtete Dr. Franz Kopecki, damals Buchenlanddeutscher und auch Vizebürgermeister von Czernowitz, darüber ausführlich u. a. folgendes: „Der rumänische Bürgermeister von Czernowitz fuhr in seinem Dienstauto, in Begleitung des Buchenlanddeutschen und auch Vizebürgermeister von Czernowitz Dr. Kopecki, nebst Russischdolmetscher, zu 14,00 Uhr zur Pruthbrücke am nordöstlichen Ausgang von Czernowitz, um dort den führenden sowjetischen Offizier zu empfangen. Er sollte diesen sowjetischen Offizier danach in die Stadt und zum Magistrat bringen und ihm dort die Stadt funktionstüchtig –wie von sowjetischer Seite gefordert- übergeben. Dr. Kopecki schreibt darüber: (von mir gekürzt wiedergegeben) „Als wir mit dem Auto über den Rathausplatz und die Hauptstraße zur Pruthbrücke fuhren, da war der Rathausplatz überfüllt von jungen, johlenden Leuten mit roten Kokarden im Knopfloch …… Da in der Innenstadt der jüdische Bevölkerungsanteil stark überwog, waren es hauptsächlich jüdische Jugendliche. Die Nächststehenden brüllten uns mit drohenden Gebärden an. Irgendwo fielen am Rande dieses Menschengewühls einige Schüsse …… Blass vor Wut oder Schreck wandte sich der rumänische Vizebürgermeister zu mir und knirschte: -„Und diese Brut habe ich jahrelang an meinem Busen genährt!“- Denn er war dem jüdischen Bevölkerungsanteil gegenüber stets gewogen und freundlich gesinnt. Danach rückte ein sowjetischer General mit einer Panzerspitze über die Pruthbrücke in die Landeshauptstadt Czernowitz ein und besetzte sie.

Die Hauptstadt musste persönlich durch den Bürgermeister der Stadt unversehrt übergeben werden, mit allen funktionstüchtigen Versorgungsanlagen wie Elektrizitätswerk, Wasserwerk, usw. Bis zur Übergabe der Stadt, wurde der Magistrat noch von einem rumänischen militärischen Wachzug, unter dem Kommando eines rumänischen Leutnant der Gendarmerie, gesichert. Im Saal des Magistrats erschien vor den zwei Vizebürgermeistern und noch weiteren rumänischen Beamten des rumänischen Übergabepersonals, der junge rumänische Leutnant und Leiter des Wachzuges und erklärte: „Er müsse sich erschießen, er hätte keine andere Wahl. Denn er sein von jungen Zivilisten, Einwohner der Stadt, die sich jubelnd auf die fahrenden russischen Panzer gesetzt hatten, bedroht und bespuckt worden. Zur Wehr konnte er sich aber nicht setzen, ohne die russischen Soldaten der Panzerbesatzungen heraus zu fordern, was ihm auch streng verboten war. Deswegen bleibe ihm nichts anderes übrig, als sich ehrenvoll das Leben zu nehmen.“ Der rumänische Vizebürgermeister und ein anderer hoher Offizier der rumänischen Gendarmerie hatten große Mühe, den verzweifelten jungen rumänischen Leutnant zu beruhigen. Sie baten ihm, die ihm hier zugefügte schlimme Verletzung seiner Ehre, als ein Opfer für sein Vaterland zu erdulden. Sie hatten große Mühe, den jungen rumänischen Offizier zu beruhigen und ihm weiteren Ausharren in der ihm zugeteilten Aufgabe zu bewegen.

Nach der Übergabe des Magistrats der Hauptstadt Czernowitz an die sowjetischen Militärs, verließen am nächsten Morgen des 29. Juni 1940 auch die restlichen rumänischen Beamten des Magistrats von Czernowitz und auch diese rumänische Gendarmerie-Wachmannschaft Czernowitz in Richtung Rumänien.“ Soweit einige interessante Gedanken aus den Erinnerungen des damaligen Vizebürgermeisters von Czernowitz, des Buchenlanddeutschen Dr. Franz Kopecki über seine persönlichen Erlebnisse bei Einmarsch der Sowjetarmee in Czernowitz am 28. Juni 1940 . In diesem Buch der Frau Bornemann und Dr. Wagner, wird noch ein Erlebnisbericht ebenfalls aus dieser Zeit (Ende Juni 1940) des Buchenlanddeutschen Bogdan Federowitsch aus Kotzman wieder gegeben. Auch hiervon von mir gekürzt nur einige Gedanken. Herr Bogdan Federowitsch berichtete u. a.: „In Czernowitz auf den Plätzen und Straßen waren Menschenmengen versammelt, einige bewaffnet, auch in der Nähe der Garnison der 8. rumänischen Division. Die dortigen rumänischen bewaffneten Soldaten wurden dort auf der Straße von Menschenmengen am gehen behindert und angehalten. Sie mussten sich, mit dem Gewehr den Durchgang und Weitergang verschaffen. Eine Menschenmenge wollte die Kaserne der rumänischen 8. Division stürmen. Das rumänische Militär hatte geschossen, ließ sie nicht durch und zwang sie zurück. Dabei wurden zwei Männer = Zivilisten erschossen und die angreifende Menschenmenge dadurch abgeschreckt. Die zwei Toten waren Juden. In der dort aufgebrachten Menschenmenge (gegen das rumänische Militär) waren überwiegend aufgebrachte jugendliche Juden.“ Viele Männer und Frauen schauten (in Czernowitz) aus den Fenstern und winkten den sowjetischen Besatzern zu. Jugendliche kletterten vor Freude auf die sowjetischen Panzer und begrüßten sie als ihre Befreier. Diese Leute waren überwiegend Juden und auch einige sowjetisch gesinnte Ukrainer. Auch in den folgenden Tagen gab es auf den Straßen und Plätzen in Czernowitz Demonstrationen und Kundgebungen mit tausenden von Menschen, die eine rote Nelke im Knopfloch trugen. Sie lachten und jubelten vor Freude, dass die Rumänen abgezogen und die Russen da waren. Es waren Juden. Doch nach einigen Wochen kam bei den Juden die Erleuchtung, als man ihnen als Kapitalisten die Geschäfte, ihre Warenhäuser, Wirtshäuser sowie Fabriken weg nahmen und diese verstaatlichte.

Der Einzug der Sowjetarmee verlief ruhig, geordnet und ohne Zwischenfälle. Später wurden die Gegner der Sowjetunion aufgestöbert, durch Nachbarn angezeigt, verhaftet und auch in die Sowjetunion verschleppt.“ Soweit auch einige Gedanken dieses Buchenlanddeutschen Zeitzeugen, über den Einmarsch der Sowjetarmee Ende Juni 1940 in Czernowitz, von Bogdan Federowitsch aus Kotzman. Die Deutschen sowie auch die Rumänen, Polen u. a. nationalen Volksgruppen verhielten sich bei der sowjetischen Besetzung der Nordbukowina ruhig und zurückhaltend. Selbst viele Ukrainer waren von dieser sowjetischen Besetzung nicht erfreut. Nur die Juden sahen in der einrückenden sowjetischen Armee ihre Befreier und empfingen sie hocherfreut mit Blumen und Jubel. Doch bereits in einigen Tagen war diese jüdische Begeisterung verflogen, weil sie von sowjetischen Maßnahmen gegen ihre Leute sowie ihre Geschäfte und Eigentum betroffen und enttäuscht waren. Diese sowjetische freundschaftliche Haltung vieler czernowitzer Juden, beim Einmarsch der Sowjetarmee Ende Juni 1940 in Czernowitz, rechte sich bitter durch die Rumänen gegen die Juden, bei ihrer Rückkehr bzw. der rumänischen Wiederbesetzung der nördlichen Bukowina Anfang Juli 1941. Sehr viele Juden der nördlichen Bukowina mussten Anfang Juli 1941 –bei der Rückkehr der rumänischen Armee- diesen sowjetischfreundlichen Jubel, mit ihrem Leben bezahlen, als sie dafür durch das rumänische Militär in Czernowitz, Storozynetz, Czudyn usw. ermordet wurden.

Nach der ordentlichen Übergabe des Magistrats von Czernowitz –wie von sowjetischer Seite gefordert war- an das sowjetische MiIitär, zogen dann auch die letzten rumänischen Staatsfunktionäre sowie die rumänische militärische Wachmannschaft aus Czernowitz und der Nordbukowina nach Rumänien ab.


Teil 3: Das Leben der Bewohner der Nordbukowina unter sowjetischer Besetzung