Deutsche Bauernhochzeit

Von einem, der dabei war

Veröffentlicht in Bukowina: Heimat von Gestern
(Karlsruhe: Selbstverlag “Arbeitskreis Bukowina Heimatbuch,” 1956), S. 363-65
herausgegeben von Erwin Massier, Josef Talsky, and B. C. Grigorowicz

Veröffentlicht mit Genehmigung des Autors, 15. Juli 2004


Sonntag abend ist’s. Dämmerschein liegt über meinem Böhmerwäldlerdorf Bori, im Süden der Bukowina. Da sausen festlich geschmückte Kutschen durch die holprigen Straßen. Musik spielt, überall stehen die Leute beisammen. Heute ist ja große “Hoichzert” im Ort, mit 80 Gästen!

Auch mich hat man eingeladen, und so sitze ich an der prächtigen Festtafel in einer alten, schön gezierten Bauernstube, dem Haus der Braut und anhebt das Festessen, das sage und schreibe von 9 Uhr abends bis 2 Uhr früh gedauert hat. Es beginnt mit Wurstaufschnitt, setzt sich fort in Nudelsuppe, Rindfleisch und Gurken, Kalbsbraten und Salat, Schweinefleisch und Gänsebraten mit Äpfeln und Zwetschgen, und nimmt ein fröhliches Ende in Torten und Gebäck. Schnaps und Bier schaffen bald Stimmung. Die Stuben widerhallen von den Juchzern der Burschen und dem Händeklatschen der Mädel. Die Musik, eine waschechte Zigeunermusik, tut das übrige, und wenn sie die einschmeichelnden Wiener Walzer spielt, da stampfen alle mit den Füßen den Takt mit und summen die Melodie. In einer Ecke sitzen ein paar lustige Brüder beisammen und singen “Schnadahüpfel”: “Die Borianer Madel, die sind so fei, die drehn sich die Locken mit der Mitsgabel ei! Holaradio, holaradio, holaradiopsassa!” – Da tönts aber schon von der andern Seite: “O, o wie scheen, o o wie scheen, wenn zwei Verliebte sich wiederseh’n!” – Die ganze Jugend singt kräftig mit. Die Gläser klirren. Die Mädel schicken den Burschen Schnapsgläserl mit rotten Schleifchen, Blumen daran und: Prosit, Prosit! schallts von überall.

Die frohe Laune wird zum Sammeln des Tischgeldes benützt. Auch die Musik und die Köchinnen suchen ihr Scherflein zu bekommen. Doch geschieht dies alles auf eigenartige Weise. Eine Köchin kommt herein, Kopf und Hände verbunden, weint jämmerlich und erzählt, welche Mühe sie beim Kochen gehabt und wie sie sich verbrannt habe. Bittend streckt sie einen Kochlöffel aus und erhält ihren Obulus. Dann erscheinen die Bürgermeister und der Lehrer des Ortes. Der Lehrer trägt eine Lebkuchenpuppe, der ein Fuß abgebrochen ist. Er berichtet, daß sich dies arme Kind – es sei das zukünftige des Brautpaares – am Bein verletzt habe und ins Krankenhaus müsse. Er bitte deshalb für den kleinen Invaliden und eine Unterstützung zur Begleichung der Spitalkosten. Der Bürgermeister halt einen Eimer hin und jedes wirft das Mahlgeld hinein. Inzwischen ist’s der Jugend zu langweilig geworden. Ein paar Burschen haben sich zur Braut geschlichen und ihr eins, zwei – die Schuhe ausgezogen. Die Brautführer eilen herbei und suchen es zu verhindern. Doch umsonst. Triumphierend und jubelnd bringen die Diebe die Stiefelchen zu den andern und unter Halloh werden sie versteigert. Die Brautführer aber müssen tief in die Tasche greifen und um ein Fäßchen Bier oder ein paar Flaschen Schnaps können sie die Schuhe wieder bekommen.

Jetzt aber wird ausgeräumt, und das Tanzen geht los. Die Braut beginnt mit einem altüberlieferten, schönen Brauch: Sie tanzt der Reihe nach mit allen Anwesenden einmal durchs Zimmer. Zuerst kommen die Eltern und Geschwister, dann die Verwandten und Bekannten daran – ob Mann oder Frau, ob Greis oder Kind, das ist gleich. Plötzlich entsteht eine Unruhe. Einer der Burschen, der zuletzt mit der Braut tanzte, sucht mit ihr zu verschwinden. Man läuft ihm nach und hält ihn fest. Der Bräutigam stellt den Räuber zur Rede und bittet um sofortige Rückgabe der Braut. Doch der läßt sie nicht darauf ein, sondern antwortet schnippisch: “Die mußt du dir schon loskaufen!” Der Mann nennt Zahlen. Der andere lächelt: “Wenn Dir die Frau nicht mehr wert ist, behalte ich sie lieber selbst. Sie gefällt mir auch sehr gut.” Er schildern ihre Schönheiten. Und wie sie’s bei ihm gut haben werde!

Alles steht um die beiden herum und hilft handeln. Endlich ist man sich um den Kaufpreis einig und der Bräutigam zückt den Geldbeutel. Nun führt er sie aber eiligst in die Stube und – um anderen Überraschungen vorzubeugen, wird sie mit dem Abzeichen ihrer neuen hausfraulichen Würde geschmückt: Man nimmt ihr Kranz und Schleier ab und hüllt sie in das bäuerliche Kopftuch, wie es jede Frau trägt. Dann wird ihr erklärt, daß sie jetzt kein Mädchen mehr sei, sondern eine Frau. Musik setzt ein. Die Burschen jauchzen und schwingen ihre Mädel im Kreise. Lustig geht’s fort, bis der Morgen graut. Da wirds noch toller. Alle Gäste hängen sich in einer großen Kette zusammen. Voran ein übermütiger Bursche. In langem Zuge geht es in Hof und Scheuer und über die Straße zu den Nachbarn; bei einem hinein – über Tisch, Bänke, Betten gestiegen – beim andern wieder heraus. Dann heißt es noch flink über Zäune klettern und durch einen Gemüsegarten laufen. Auf der Straße wird ein Kreis gebildet und rasend schnell geht es im Ring herum. Ein Bauer mit seinem Pferd wird aufgehalten. Zwei Burschen schwingen sich aufs Roß und jagen davon. Fröstelnd in der Morgenkälte rennen alle wieder ins Haus, wo man derweilen die Tische gedeckt hat. Jetzt gibts Oliven, saure Neb, Schnaps, gefüllte Paprika, Essiggurken und Bier, um den Magen anzureizen. Und weiter gehts in fröhlichem Zechgelage und Tanz. . .

Ich trolle mich müde und verschlafen heim und die Musik spielt zum Fortgang einen Marsch. Viele Gäste haben es noch bis abends ausgehalten. Mittags kamen die Burschen in meine Wohnung, rütteln mich aus dem Schlaf und wollten mich wieder holen. Aber mich rief die Pflicht.