Aus 150 Jahre schwäbische Kolonisten in der Bucovina: 1787-1937, 25. und 26. September 1937, nachgedruckt von Deutsche Zeitungsgenossenschaft, Czernowitz (Stuttgart: Raimund Friedrich Kaindl Gesellschaft. 1987): 4-7
Veröffentlicht 18 Juni 2006
Im Jahre 1932 weilte ich anläßlich der Jahrhundertfeier des Gustav Adolf Vereines im Reiche und besuchte hiebei einige Pfälzergemeinden, wo ich Dialekte, Sitten und Gebräuche wie bei uns daheim gefunden hatte. Ich gab damals das Versprechen ab, die abgeschnittenen Fäden zwischen Heimat und Ausland wieder anzuknüpfen und der erste Anlaß dazu sollte nun die 150 Jahrfeier sein. Es ist unstreitig wahr, daß eine ungeahnte und uns wuchtig mitreißende Gewalt durch die Welt geht und auch uns Auslanddeutsche wach rütteln und wach schütteln will. Unser deutsches Volk in aller Welt besinnt sich auf sich selbst und auf seine Geschichte. Geschichtliches Festhalten der Zeit ist es, wenn unsere schwäbischen Bauern am Samstag, den 25. Sept. 1937 auf den Gottesäckern, an den Gräbern ihrer Väter stehen, ihre schwieligen Hände, die Pflug und Sense führen, zum Gebete falten und ihre wettergebräunten Gesichter zum Lenker der Völker und Geschicke, zu unserem Gotte erheben, um ihm Lob und Dank zu sagen.
Wir leben in einer Notzeit des Auslanddeutschtums. Not ist aber nie Not, sondern immer auch Aufgabe. Daß aus der auslanddeutschen Not, das Eine herausgeholt werde, das Empfinden unlöslicher Schicksals, und heiliger, vor Gott verantwortlicher Volksgemeinschaft ist höchste gegenwärtige Verantwortung. Was Tagen des Glückes nicht gelungen war, das sollen nun die Tage der Not vollbringen. Wir 100 Millionen werden vom Geschicke zu einer deutschen Volksgemeinschaft zusammengeschmiedet. Auslandslos übernahmen unsere Väter vor mehr als 150 Jahren, als sie, von der Werbetrommel im Reiche gerufen, ihre Namen auf die Ansiedlerlisten geschrieben hatten. Sie verhandelten mit dem Hofkriegsrat, mit der österr.-böhm. Hofkanzlei, mit der Hofkammer in Wien, mit dem Gubernium, mit dem General-Kommando der Staatsgüterdirektion in Lemberg und endlich mit der Militär-Landes-Administration in Cernowitz. So zahlreich als diese Amtsstellen, so zahlreich waren die Schwierigkeiten, Mühen, Entbehrungen und Sorgen dieser Ansiedler, unsere Väter im Jahre 1787, die über Galizien hieher in die Bucovina gekommen waren. Zwei heilige Stücke, zwei Kleinodien, Bibel und Pflug, brachten diese treuen Söhne unseres deutschen Volkes aus der Heimat mit. Die Bibel, das große Nachschlagebuch des Lebens und der eiserne Pflug in Auslandserde gedrück, waren der Stolz und die sichtbaren Ehrenzeichen des schwäbischen Bauern in der Bucovina. Mit der heiligen Aufgabe, deutschem Namen in der Welt Ehre zu machen, kamen sie her und erfüllten, was ihr Gott ihnen als Deutsche in nichtdeutscher Welt zu tun, aufgetragen hatte. Vor unseren geistigen Augen ziehen die Ansiedler nun vorüber,–wir sehen unsere Väter—wir beugen uns vor dem Mute und Treue jener Großen und blicken verschämt in unsere eigenen Reihen. Das Gefühl der Gemeinschaft, der Einigkeit und das Gefühl der Verantwortung vor Gott, ließen sie Großes vollbringen. Sie stehen vor uns, rufen uns zurück vom Wege der Lauheit und unheilvoller Zerrissenheit und mahnen uns ihr Erbe treuer zu hüten und dasselbe gegen alle Schädlinge tapferer zu schützen.
Pastor Schwarz, der als erster evangelischer Pastor in der Mitte der acht schwäbischen Gemeinden tätig stand, schreibt über die Ansiedler folgend: “In der Arbeit sind sie unermüdet, die Weiber mähen und dreschen mit ihren Männern in der Wette und die jungen Nymphen führen Sense und Dreschflegel zum Trotz den wackeren Burschen. Auch wissen sie das Spinnrad zu schnurren. Und wo immer sie hingehen, sind die Stricknadeln ihre Beschäftigung.” Aus diese Zeilen lesen wir deutschen Bauernfleiß und schwäbische Bauerntreue heraus. Die Chronik der ersten ev. Pfarre in Milleschoutz berichtet, dass die Katholiken den Protestanten und die Protestanten den Katholiken in Satulmare und Arbora Gotteshäuser bauen helfen. Sie waren eine wahre deutsche Volksgemeinschaft. Nöte des Einzelnen waren Nöte der Gemeinschaft. Sorgen der Zeit trugen sie vor Gott in das Herzstück des Dorfes, in die Kirche. Die Schule stand, als Schwester der Kirche, dicht daneben. Kirche, Schule und Volk die irdische Dreieinigkeit des Auslanddeutschtums. Wo diese drei Güter in einen Bund gebracht waren, da bestand das Deutschtum im Auslande die Prüfungen der Zeit und wo es aus dieser Krone deutschen Ruhmes auch nur einen der drei Sterne entfernen wollte, da ist es schmählich zu Grunde gegangen. Darum ruft der Geist der Väter in unsere Reihen mit ernster Stimme: “halte was du hast, daß niemand deine Krone nehme.”
Wir stehen als Kinder dieser alten Kolonisten auf denselben Stellen, die sie einst innehatten. Es ist derselbe Hof, durch den die Alten gingen, es ist derselbe Acker, den sie mit ihrem Schweiße tränkten und es ist derselbe Boden, den sie mit dem eisernen Pfluge durchfurchten. Wie vieles ist seitdem geschwunden! Die größten Nöte und Schäden sind nicht Nöte des Einzelnen, sondern Krankheiten am ganzen Volk. Darum ist wahre Erneuerung unseres Auslanddeutschtums die dringende Frage. Und gute Saat braucht guten Boden. Das Beste, das wir haben, ist nicht erst in uns geworden, sondern es ist ein gemeinsames Erbteil unseres Volkes, auf dem Boden unseres deutschen Glaubens unseres deutschen Stammes erwachsen. Wer das Gute unseres Volkes erhalten will, muß vorallerst sein Volk lieben. Wir sind Körnchen eines großen Ackers, wir sind nur kleine Glieder eines großen Leibes, welcher die 100 Millionen große Volksgemeinschaft aller Deutschen der Welt darstellt. An uns liegt nichts, an unserem von Gott in die Welt gestellten deutschen Volke liegt alles. Der Auslandsdeutsche liebt das Land, das ihn ernährt, kämpft und läßt sein Leben für das Land, das seine Toten bettet und vergißt aber nicht sein Volk, dessen Söhne und Töchter als Handlanger Gottes in die weite Welt gegangen waren. Um Vaterland und Volk zu lieben, dazu brauchen wir unseren Gott, den Gott unserer Väter. Alle andere Kraft wird auf die Dauer einmal matt aber der Glaube halt aus, daß Gott jeden von uns als Deutschen an diesen oder jenen Platz gestellt hat. Die deutsche Geschichte beweist es, daß nur diejenigen die Kraft des Herzens behalten, die da wissen: Sie stehen wo auch immer ob in der Studierstube oder in der Werkstatt, ob daheim, oder als Bauer draußen auf dem Felde in Gottes Pflicht und Dienst. Die größte Kraft aller großen Männer ist zu wissen, daß die Gott berufen und gesandt hat. Ein Deutscher wird erst recht deutsch, wenn er den wunderbaren Gottesgedanken erkennt, den Gott mit dem deutschen Volk hat. Nichtswürdig ist eine Nation, die nicht ihr Alles freudig setzt an ihre Ehre, aber auch nichtswürdig ist ein Volk, das nur sich selbst kennt und alles für erlaubt halt, was nur dem eigenen Nutzen dient. Das deutsche Volke ehrt die anderen Völker auch als Gottesgedanke. Wir Deutsche und Schwaben der Bucovina scharen uns um unser Herrscherhaus Hohenzollern, dessen Sohn unser geliebter und glorreicher König Karol 2. in seinen deutschen Soldaten der rumänischen Armee allezeit treue Stützen und verläßliche Verteidigen unseres Vaterlandes Großrumäniens sehen darf. Wir Deutsche geben dem Könige was des Königs ist und unserem Volke als Gottesgedanke, sind wir verpflichtet zu geben, was des Volkes ist. Wir kämpfen und ringen um die Erhaltung väterlichen Erbes, das uns in Kirche, Schule und Volk anvertraut wurde. Noch sind nicht alle Kräfte zum Kampfe um Erhaltung wachgerufen. Es kommt nun die Stunde der Einkehr und ein Gelöbnis legt sich uns auf die Lippen: Wir wollen ganz deutsch sein. Was ist denn deutsch? Deutsch ist, wer treu ist. Wir sprechen von deutscher Treue, deutscher Wahrhaftigkeit, deutscher Ehrlichkeit, deutscher Aufrichtigkeit. Sobald wir nicht nur Worte machen, da muß es wirkliche Treue sein, die durch das ganze Herz und durch das ganze Wesen geht. Es muß Treue gegen Jedermann, gegen Gott und gegen uns selbst sein. Es muß wirkliche Wahrhaftigkeit sein, nicht nur im äußern Schein, sondern Ehrlichkeit in jenem Gedanken des Herzens. Es muß eine wahre Aufrichtigkeit und eine gottgewollte Gemeinschaft unter uns werden. Haben wir das? Der Rückblick auf die 150 Jahre deutscher Bauernarbeit möge und bestimmen aufzuflammen in der Liebe zu den Gütern unseres Volkes. Was unsere Väter in den 150 Jahren schufen ist deutsche Kulturarbeit gewesen. Schwere Aufgaben sehen vor uns und wollen erfüllt sein. Unsere Kirche will wieder der heilige Mittelpunkt unserer Dörfer sein. Unsere Kinder werden uns einmal anklagen, wenn wir ihnen das deutsche Sprachgut nicht vermitteln werden, unser Volk wird uns anklagen, wenn wir es in dunkler Verblendung und häßlicher Zerrissenheit zu Grunde gehen lassen. Darum heraus aus den Stuben! Jeder legt nun Hand an! Arbeit an Kirche und Volke adelt und macht rein. Weg mit allem Hader und einig wollen wir dastehen als Kinder unserer schwäbischen Eltern, als ein einig Volk von deutschen Brüdern und Schwestern. Wir rufen Gott zu unserem Bundesgenossen im Kampfe um die Erhaltung unseres Volkes an, und ist Gott mit uns, wer mag dann wider uns sein? H.R., ev. St., Radautz.