Die Bedeutung der Genossenschaften

im Wirtschaftsleben der Deutschen in der Bucovina

Josef Kunzelmann

Aus: 150 Jahre schwäbische Kolonisten in der Bucovina 1787-1937, 25. und 26 September 1937, nachgedruckt von Deutsche Zeitungsgenossenschaft, Czernowitz (Stuttgart: Kaindl Gesellschaft e. V., 1987): 21-24.

Veröffentlicht  24 Juni 2006


Acht schwäbische Gemeinden der Bucovina feiern in diesem Jahre ihr 150jähriges Siedlungsfest.

Wir benützen diesem Anlaß, um auch die wirtschaftliche Bedeutung der Genossenschaften, vorzugsweise aber die der Raiffeisenkassen für das gesamte Deutschtum der Bucovina im allgemeinen, und in den Festgemeinden im besonderen, hinzuweisen.

Die Gründung von Genossenschaften, wurde in den 60ger Jahren des vorigen Jahrhunderts von Pater Reiffeisen in Deutschland in die Wege geleitet; in kaum 20 Jahren hat dieser Gedanke nicht nur ganz Deutschland erfaßt, sondern er faßte schon anfangs 1870 in Österreich Fuß, so daß im Jahre 1873 die Regierung bereits die dringende Notwendigkeit erkannte ein besonderes Gesetz für die Genossenschaften zu erlassen.

Die Erfahrungen, die man mit den Genossenschaften in den westlichen Kronländern Österreich’s machte, veranlaßten schon Ende der 90er Jahre beherzte deutsche Männer an die Gründung, der für das Deutschtum gerade unserer Landgemeinden so wichtigen sozialen Einrichungen, wie die Genossenschaften es sind, zu schreiten.

So wurden in den Festgemeinden in den Jahren 1899 bis 1903 Raiffeisenkassen gegründet und zwar:

 

Gemeinde Jahr gründ. Mitgl. erreichter Stand 
1. Alt-Fratautz, p./S – 1899 25 174
2. Arbore 1899 38 171
3. Neu-Itzkany 1899 41 183
4. Neu Tereblestie 1902 67 120
5. Neu-Satulmare 1902 29 130
6. Illischestie 1903 71 180
7. Neu-Badeutz 1903 26 60
8. Manastioara 1903 32 74

Die Namen aller Volksgenossen zu nennen, die bei der Gründung mittätig waren, sind wir Raummangels nicht in der Lage, möchten aber mindestens jener Volksgenossen mit Dank gedenken, die schon bei der Gründung und später durch Jahrzehnte hindurch führende Stellungen bei ihren Genossenschaften innehatten. – Es waren dies:

Gemeinde
1. Alt-Fratautz, p./S –
2. Arbore
3. Neu-Itzkany
4. Neu Tereblestie
5. Neu-Satulmare
6. Illischestie
7. Neu-Badeutz
8. Manastioara

Johann Albus, Johann Hehn, Adam Kurz und Ludwig Rein;
Josef Größ und Alois Straub;
Jakob Germann, Friedrich des Ludwig Hodel;
Filipp Sauer und Franz Germann;
Johann Mang und S. Mayer;
Fritz Kipper, Josef Folwartscheny, Christian Kipper und Filipp Ast;
Johann Leib und Ferdinand Hartmann;
Johann Schmidt und Karl Schneller.

Wir sehen davon ab, den uns zu Gebote stehenden Raum allzuviel mit statistischem Material zu füllen, weil dieser Aufsatz nicht eine Berichterstattung über die Gebahrung zum Zwecke hat, sondern vielmehr nur die besondere Wichtigkeit der Raiffeisenkassen in Wirtsschaftsleben hervorgeben will.

Gleich nach der Gründung hat sich die segensreiche Tätigkeit der Raiffeisenkassen äußerst günstig fühlbar gemacht und waren sie seit damals bis heute, fast die einzigen Kreditinstitutionen ihrer Gemeinden. Vielen Mitgliedern wurde zum Erwerb von Grundstücken, Aufbau von Wirtschaften, Vermehrung des Inventars und in bitterer Not geholfen; die Aufgabe der Befreiung vieler bedrängter Volksgenossen aus fremdvölkischen Wucherhänden wurde fast völlig erreicht.

Doch lassen wir in Nachstehenden einige Zahlen sprechen, wobei berücksichtigt werden muß, daß die Ziffern bis zum Jahre 1918 im Verhältnis 2 Kronen = 1 Leu berechtnet wurden.

Gemeinde Ausgegebene Darlehen: Lei Gesamtumsatz: Lei
1. Alt-Fratautz, p./S – 7,586.622 40,121.862
2. Arbore 4,000.271 10,747.307
3. Neu-Itzkany 17,918.697 84,612.978
4. Neu Tereblestie 2,269.175 10,904.831
5. Neu-Satulmare 2.481.686 12,686.305
6. Illischestie 11,834.555  7,068.947
7. Neu-Badeutz 1,313.638 5,554.068
8. Manastioara 1,790.342 6,994.130

Bis Ende 1902 stieg die Zahl der Genossenschaften auf 25; es ergab sich daher schon die Notwendigkeit der Gründung einer Zentralorganisation, Volksbewußte Männer wie: Dr. Julius Trubrig, als erster Verbandsanwalt, Dr. Rudof Wolf, Johann Böhm und aus den Festgemeinden die Herren: Franz Fritz—Jun., Germann Jakob des Wilhelm, Christian Kipper, Fritz Kipper, Heinrich Kipper und Filipp Sauer gründeten anfangs 1903 den Verband deutscher landwirtschaftlicher Genossenschaften in der Bucovina. Die Aufgabe dieses Verbands war und ist noch heute die Ausübung der Revisionstätigkeit in den nunmehr 60 angeschlossenen Raiffeisenkassen, den Geldausgleich unter denselben herzustellen und die Vertretung der angeschlossenen Genossenschaften gegenüber den Behörden.

Über den Rahmen obangeführter Tätigkeit des Verbandes hinaus, tätigte der Verband auch eine Reihe von Geschäften, deren Gewinn den Genossenschaften und deren Mitgliedern zu Gute kommen sollten.

Wir geben zu, daß nicht alle dieser Unternehmungen den erhofften Erfolg brachten. Doch muß den Verbande anerkannt werden, daß er über den Rahmen seiner satzungsmässigen Verpflichtungen hinaus bei Gründung und Ausbau von kulturellen und völkischen Einrichtungen hervorragenden Anteil genommen hat. So wurden deutsche Häuser und Schulbauten in vielen Gemeinden durch namhafte Spenden und durch Gewährung günstiger Darlehen ermöglicht. Ein Erfolg des Verbandes von bleibendem Werte ist auch die an den Jahren 1909-1911 durchgeführte Kolonisierungsaktion auf dem Gute Dumbrowa bei Sadowa. Die dort entstandene, blühende Ansiedlung legt noch heute Zeugnis von deutscher Arbeit ab.

Dem Anwalt bei der Gründung, Dr. Julius Trubrig, der heute in Salzburg lebt, folgten die Herren: Dr. Rudolf Wolf  1904-1910, Valerian Schestauber 1910-1915, Dr. Alois Lebouton 1915-1936 und schließlich seit 1936 der Berichterstatter.

Den Geldausgleich unter den Kassen besorgte der Verband seit seiner Gründung bis zum Jahre 1924 un dann wieder seit Ende 1930 bis heute.

In der Zwischenzeit von 1924 bis 1930 oblag diese Verpflichtung der Bucovinaer Landwirtschaftsbank. Dieselbe ist ihren verträglichen Verpflichtungen wohl zum Teile nachgekommen, die Bedingungen für die Kreditgewährung aber wurden mit der Zeit sowohl für die Kreditgewährung aber wurden mit der Zeit sowohl für den Verband als auch für die angeschlossenen Genossenschaften untragbar, weshalb die Verbandsleitung genötigt war, das Verhältnis zur Bank zu lösen und den Geldausgleich wieder selbst zu übernehmen.

Im Laufe des Jahres 1931 trat die große Wirtschaftskrise auf und begann sich selbstverständlich auch auf unsere Genossenschaften ungünstig auszuwirken. Der Zusammenbruch verschiedener großer Kreditinstitute hatte zur Folge, daß auch die Einleger der Genossenschaften unruhig wurden und ihre Einlagen abzuheben begannen. Neue Kreditquellen zu erschließen war unmöglich. Es muß mit Freude festgestellt werden, daß alle angeschlossenen Genossenschaften wenn auch schwer, sich aber doch über die schwere Krise hinüberretten konnten. Die mehrfachen Gesetzprojekte und Gesetze zur Konvertierung der Schuldner, haben das Vertrauen der geldbesitzenden Kreise noch wieder erschüttert, so daß eine vollständige Stagnation eingetreten ist und die Genossenschaften ihre Tätigkeit auf bescheidene Einlagerückzahlungen und Kompensationen beschränken mußten.

Das letzte Konvertierungsgesetz vom Jahre 1934 brachte leider auch nicht die erwartete endgiltige Liquidierung der alten Verpflichtungen, denn die nur zögernde Erlassung der Konvertierungsgesetze, ihre fortwährenden Abänderungen, die laue Vorgangsweise der Exekutionsorgane und nicht zuletzt die Verhetzung der Schuldner durch unverantwortliche politische Agitatoren, haben es mit sich gebracht, daß die Zahlungsmoral auch unter unseren Genossenschaften schlechter wurde.

Trotz aller dieser Umstände ist das Vertrauen zu unseren Genossenschaften doch nicht geschwunden, denn wir können mit besonderer Befriedigung feststellen, daß sich in einzelnen Reiffeisenkassen bereits neues Leben zu regen beginnt und werden – wie wir hoffen – die anderen nachfolgen.

Bis zum 1. September 1938 ist uns durch das Gesetz die selbständige Verwaltung und Überwachung der angeschlossenen Genossenschaften gesichert. Die Verbandsleitung hat gemeinsam mit den anderen deutschen Siedlungsgebieten Großrumäniens geeignete Schritte eingeleitet, um auch fernerhin die autonome Verwaltung unserer Genossenschaften zu erwirken.

Wir hoffen, mit Unterstützung der maßgebenden Führung unserer Volksgruppe, dieses Ziel zu erreichen.

Das deutsche Volk der Bucovina muß sich dessen bewußt sein, daß die Zukunft seiner Wirtschaft nur in der eigenen Kraft liegt und für uns keine anderen Kreditquellen als die eigenen Genossenschaften in Frage kommen und kommen werden.

Mit vorstehendem glauben wir der deutschen Öffentlichkeit in Kürze die Bedeutung und den Wert der Genossenschaften vor Augen geführt zu haben.

Wir beglückwünschen die Festgemeinden aus Anlaß dieser seltenen Feier und wünschen nur, daß das einst für diese Gemeinden so wichtige und blühende Genossenschaftswesen wieder erstarke zum Nutze und Frommen des deutsche Volkes in der Bucovina. .