von Wenzel Hoffmann
Katholischer Volks- und Hauskalender für die Bukowina, (Czernowitz, 6/1939), S. 61-62.
Veröffentlicht am 21 August 2002
Es war im August 1917. Ich war vom Feld zum Ersatzkader nach Lemberg abkommandiert worden. Dort erhielt ich den Auftrag, 12 Mann in die Zementfabrik Floridsdorf bei Wien zu bringen. Am Lemberger Bahnhof fragte ich den diensthabenden Offizier, einen polnischen Oberleutnant, wo denn eigentlich Floridsdorf liege. Er meinte, es müsse in Böhmen liegen. Auch der Schaffner, den ich im Zug fragte, erklärte mir, Floridsdorf sei irgendwo in Böhmen. So erkundigte ich mich denn nach meiner Ankunft in Wien nicht lange nach Floridsdorf, sondern fragte nur, wann der nächste Zug nach Prag gehe und fuhr mit meinen 12 Mann weiter. Nach einigen Stunden erschien ein Schaffner und fragte nach unserem Marschziel. Ich nannte Floridsdorf. Der Schaffner, ein Tscheche, der nicht gut Deutsch konnte, sagte ein Ort dieses Namens sei ihm nicht bekannt, doch müsse der Ort wohl im Böhmerwald liegen, wo alle Dörfer und Städte deutsch seien. Nun ging es wieder viele Stunden lang dahin.
Ein neuer Schaffner kam, ein Deutschböhme. Auch er fragte nach unserem Ziel. Als ich ihm Floridsdorf nannte und unsere bisherige Marschroute angab, nannte er mich einen Narren, und sagte ich sei doch durch Floridsdorf gefahren. Nun erzählte ich ihm vom Oberleutnant und den verschiedenen Schaffnern, die mich alle auf diesen Weg gewiesen hätten. Darauf zog er feierlich den Narren zurück. Der Oberleutnant und die Schaffner seien Esel.
An der nächsten Station, Hirschberg, wurden wir abgesetzt, um auf den Zug zu warten, der uns nach Wien und damit nach Floridsdorf zurückbringen sollte.
Um die Zeit zu vertreiben und den Ärger zu ertränken, gingen wir in ein nahegelegenes Wirtshaus. Bald war ein Gespräch mit dem Wirt im Gange. Da ich mich erinnerte, dass meine Grosseltern aus dieser Gegend Böhmens in die Bukowina ausgewandert waren, fragte ich den Wirt, ob hier in der Nähe Leute wohnten, die Hoffmann hiessen. Der heisse selber Hoffmann, sagte er. Er habe auch eine alte Hauschronik, die schon an die 200 Jahre alt sei, vielleicht könnte man daraus etwas sehen. Er holte das alte Buch und wir fanden zu unserer Freude und zu unserem Staunen, dass mein Grossvater mit 2 Brüdern und manchen anderen von dort im Jahre 1831 über Galizien in die Bukowina ausgewandert war. Nach ungefähr 4 Monaten kam ein Schreiben von ihm aus Radauti (Radautz) an, in welchem er sich beklagte, dass sie nach so vielen Mähen und Strapazen wohl in die Bukowina gekommen seien, dass man sie aber so lange auf das versprochene Siedlungsland warten lasse. Nach einem Jahr kam nochmals ein Brief, dass ein Bruder in Radauti (Radautz) verbleiben, die anderen nach Gurahumorului (Gurahumora) übersiedelt seien. Vort wanderte dann mein Grossvater um 1841 nach Vadul Negrilesei (Schwarzthal).
Dieses grosse alte Gasthaus war also die Heimat meiner Ahnen gewesen und der Wirt war ein Verwandter von mir. Natürlich habe ich mit meiner ganzen Mannschaft dort gut gegessen und auch ein Glas über den Durst getrunken. Viel zu schnell vergingen jetzt die Stunden, die wir vorher als langweilige Wartezeit verwünscht hatten. Nach einem herzlichen Abschied bestiegen wir den Zug, und ich lieferte mit einer zwanzigstündigen Verspätung meine 12 Mann in Floridsdorf ab und fuhr wieder nach Lemberg zurück.