Oster- und Weihnachtsbräuche

der  Radautzer Deutschen

Franz Wiszniowski
Radautz: Deutscheste Stadt des Buchenlandes,
(Bei dem Autor: Waiblingen, 1966), S.307-309.

Veröffentlicht am 18. Juli 2004


Die Radautzer Deutschen hatten die von den deutschböhmischen Einwanderern aus dem Böhmerwald mitgebrachten Oster- und Weihnachtsbräuche bis zu ihrer Umsiedlung treu bewahrt. Da diese Einwanderer, ebenso wie mehr als neun Zehntel der Radautzer Deutschen, der röm.-kath. Religion angehört haben, ist es verständlich, daß die hier geschilderten Bräuche zum größten Teil in deutschen katholischen Familien gepflegt wurden.

Ungefähr zwei Wochen vor Ostern wurde in einem mit Erde gefüllten Teller oder Kistchen Gerste, Gras oder Hafer gesät. Bis Karsamstag, an dem Tag, an dem in jeder Familie größere Mengen Eier gefärbt wurden, hatte sich aus der Saat ein schönes Grün entwickelt, in das entweder gefärbte Eier oder ein Osterlamm aus Zucker gestellt wurde. Mit diesem Gefäß wurde dann der Ostertisch geschmückt.

Am Karsamstagnachmittag entsandte jede Familie eines ihrer Mitglieder mit den Osterspeisen, die meistens aus einem Strietzel oder Gugelhopf, Schinken oder Wurst, gefärbten Eiern und Meerrettich bestanden, in den röm.-kath. Pfarrgarten, wo die Speisen von einem Priester geweiht wurden. Die geweihten Speisen, zu denen gewöhnlich noch ein Gläschen Schnaps dazukam, bildeten dann das Familienfrühstück am Ostersonntagmorgen.

Nach dem Frühstück suchten die Kinder ihre Taufpaten, d. h. den Gett und die Godel, sowie die nächsten Verwandten auf, um ihnen ein fröhliches Osterfest zu wünschen. Das gebräuchlichste Sprüchlein war:

Ich wünsch’, ich wünsch’, ich weiß nicht was.
Hinterm Ofen sitzt a Has,
Greifens in die Tasch’n und gebens mir was.

Hierauf erhielten sie gefärbte Eier und, was ihnen die größte Freude bereitete, ein kleines Geldgeschenk.

Der Ostermontag war dem „Abschütten” gewidmet. Die Männer suchten Verwandte oder befreundete Familien, die Burschen ihre Mädchen auf, wünschten fröhliche Ostern und baten dann um die Erlaubnis, abschütten zu dürfen, was selbstverständlich gestattet wurde. Die Hausfrau, die als erste an die Reihe kam, schritt zu einem eigens für diesen Zweck bereitgestellten Schaffel und beugte sich über dasselbe, worauf der Gast aus einem Glas oder Töpfchen Wasser über ihren Nacken goß, wofür sie sich dann bedankte. Hierauf kamen die übrigen weiblichen Familienmitglieder an die Reihe. Älteren Frauen wurde das Wasser nicht über den Nacken, sondern über die Hände gegossen. Die Mädchen wurden in den allermeisten Fällen mit größeren Wassermengen bedacht, wobei die Burschen besonders darauf achteten, daß das Wasser über den Rücken der Mädchen lief. Für das Abschütten erhielt der Gast ein gefärbtes Ei und wurde außerdem mit Schnaps und Backwerk „traktiert”. Viel vornehmer benahmen sich die Burschen auf der Promenade in der Kirchengasse, wo sie sich in Reihen aufgestellt hatten und aus Zerstäubern die auf und und ab spazierenden Mädchen mit Kölnisch Wasser anspritzten.

Der Osterdienstag, der in den meisten deutschkatholischen Familien gefeiert wurde, gab den Frauen und Mädchen Gelegenheit, ihrerseits die Männer und Burschen abzuschütten, doch machten sie naturgemäß von ihrem Recht weniger Gebrauch als das starke Geschlecht.

Während der Osterfeiertage war das Eiertätschen bei alt und jung sehr beliebt. Zwei Personen, jede ein gefärbtes Ei in der Hand haltend, traten sich gegenüber und schlugen ganz leicht die Spitzen der Eier gegeneinander. Der Besitzer des ganzgebliebenen Eies erhielt dann das eingetätschte Ei als Siegesprämie.

Zu Weihnachten hat fast jede deutsche Familie einen Christbaum aufgestellt. Vom Heiligabend bis zum Dreikönigstag wurde das Fest von zwei spezifisch Radautzer Weihnachtsbräuchen beherrscht, dem „An-der-Krippe-Singen” und den „Herodes”.

Drei bis vier Buben im Alter von 10 bis 14 Jahren erbauten eine ungefähr 80 cm breite und je 50 cm hohe und tiefe Krippe, die sie mit Christbaumkerzen erhellten. Mit dieser Krippe zogen sie von Haus zu Haus, sangen in jedem das alte schöne Krippenlied:

Ihr Kinderlein kommet,
o kommet doch all,
zur Krippe herkommet
in Bethlehems Stall
und seht, was in dieser
hochheiligen Nacht
der Vater im Himmel
für Freude euch macht!

O seht, in der Krippe
im nächtlichen Stall,
seht hier bei des Lichtleins
hellglänzendem Strahl
in reinlichen Windeln
das himmlische Kind,
viel schöner und holder,
als Engel es sind.

Da liegt es, das Kindlein,
auf Heu und auf Stroh!
Maria und Josef
betrachten es froh;
die redlichen Hirten
knien betend davor,
hoch oben schwebt jubelnd
der Engelein Chor.

O beugt wie die Hirten
anbetend die Knie,
erhebet die Hände
und danket wie sie!
Stimmt freudig, ihr Kinder,
wer wollt’ sich nicht freu’n?
Stimmt freudig zum Jubel
der Engel mit ein.

Hierauf baten sie um eine kleine Gabe, die sie auch erhielten.

Eine aus heranwachsenden Burschen gebildete Herodespartie bestand aus einem roten und einem schwarzen Ritter, einem König und drei Weisen. Alle trugen lange Bärte, der König eine bis zu den Knöcheln reichende Pelerine aus weißer Leinwand, die Weisen bis unter die Knie reichende weiße Leinenhemden mit ledernen Gürtel, die Ritter, je nach ihrem Namen, ein rotes oder schwarzes Lederwams. Die Kopfbedeckung des Königs und der Weisen bestand aus einer mit Christbaumketten und winzig kleinen Glücklein geschmückten Krone aus Pappe, die der Ritter aus einer Art Dragonerhelm, an dessen Spitze sich ein Glöcklein befand. Außerdem trug jeder Ritter eine hölzerne Lanze. Beim Umherziehen durch die Straßen der Stadt erkundigten sich die Ritter in den einzelnen Häusern: „Erlaubt einzutreten mit meinen drei Weltweisen.” Wurde dies bejaht, dann betrat die Partie das betreffende Wohnzimmer, nahm Aufstellung und sang verschiedene Herodeslieder. Zwischen den einzelnen Liedern stieß abwechselnd einer der Ritter mit der Lanze auf den Fußboden und sagte

Ich bin der rote (oder schwarze) Ritter aus dem Morgenland
rot (oder schwarz) hat mich die Sonne gebrannt,
rot (oder schwarz) wurde ich geboren
und zum Ritter auserkoren.

Zum Schluß baten sie um eine Gabe und verabschiedeten sich mit dem Lied

Wir bedanken uns für diese Gaben,
die wir von den Herrschaften erhalten haben.
Wir bedanken uns recht schön und fein
und bitten um ein Gläschen Wein.
Ein Gläschen Wein und ein Stückchen Brot
sind für uns ein glückseliger Tod.

Das in der Stadt übliche Fenstersingen am Heiligabend und mit dem „Buhai” in der Silvesternacht wurde fast ausschließlich von Rumänen besorgt. Deutsche Lieder gab es dafür nicht.

Am Neujahrsvormittag suchten die Kinder zuerst ihre Taufpaten auf, um ihnen zum neuen Jahr Glück zu wünschen. Ihr Sprüchlein lautete:

Ich wünsch ein glückseliges neues Jahr,
a Christkindl mit gekraustem Haar,
in jeder Eck Tisch
a gebackenen Fisch,
in der Mitt’n a Krug Wein
und der Gett und die Godel sollen glücklich sein.

Dann begaben sie sich zu den nächsten Verwandten, bei denen sie, je nach dem Verwandtschaftsverhältnis, die Worte „Gett und Godel” durch „Schwester und Schwager”, „Onkel und Tante” usw. ersetzten.

Am Tage vor dem Dreikönigsfest wurde im Pfarrhof ein großes Faß aufgestellt und mit Wasser gefüllt. Nach der Weihe des Wassers durch den Pfarrer füllten die anwesenden Gläubigen ihre mitgebrachten Flaschen, Kannen oder Krüge mit geweihtem Wasser und brachten es nach Hause. Angefangen vom Tage nach dem Dreikönigsfest nahm der Pfarrer gassenweise die „Hausweihe” vor. Zu diesem Zweck begab er sich in Begleitung des Organisten in die Häuser bzw. Wohnungen seiner Pfarrkinder und weihte sie und, wo vorhanden, auch die Stallungen mit dem „Dreikönigswasser” ein; bei dieser Gelegenheit schrieb der Organist mit geweihter Kreide auf allen oberen Türbalken die Anfangsbuchstaben der Heiligen Drei Könige, nämlich K + M + B + (Jahreszahl) auf.