Aus: Bausteine zur Gescichte unserer deutschen Siedlungen,
Deutscher Kalender für die Bukowina für das Jahr 1935
von Alfred Klug
(Czernowitz: Deutscher Kulturverein für die Bukowina, 1935), S. 51-63.
Ich veröffentliche jetzt drei Gesuche, die die Gemeinde Pojana Mikuli (Poiana Mikului, Buchenhain) im Jahre 1847 und 1848, das letztes in Verbindung mit den deutschböhmischen Siedlern von Bori und Schwarztal an seine Majestät den Kaiser Ferdinand I gerichtet hat. Abgesehen von dem historischen Werte dieser Dokumente, die ich bei meinen Forschungen im Czernowitzer Staatsarchiv gefunden haben, besitzen sie für uns noch eine zweifache Bedeutung. Es wird nämlich vielfach behauptet, dass die deutschen Ansiedler gegenüber der autochthonen Bevölkerung, sehr bevorzugt worden sind. Liest man aber diese erschütternden Klagen, so wird man gewiss nicht so rasch ein falsches Urteil fällen.
Dann aber sollen diese Dokumente unseren deutschen Ansiedlern ein Trost und ein Ansporn sein. Ein Trost: man klagt heutzutage sehr viel über die Not des Bauernstandes. Vernehmen wir aber diese Bitten, so sehen wir: damals lebten sie noch schwerer als heutzutage und haben doch mit eiferner Sparsamkeit alle Schwierigkeiten überwunden und ihren Enkeln stattliche Anwesen vermacht. Und noch etwas: trotz alle Not haben sie die Schule hochgehalten. Aus eigener Tasche haben sie den Lehrer bezahlt, haben ein Schulhaus erbaut, nur damit sie den Kindern die notwendige Schulbildung verschaffen können. Solche Beispiele von Opferfreudigkeit für kulturelle Zwecke sollten hochgeschätzt und – nachgeahmt werden, was leider in einzelnen Gemeinden heutzutage nicht der Fall is.
Das erste Gesuch ist in einem ganz besonders schlechten Deutsch geschrieben, die Redewendungen wirken mitunter unwillkürlich komisch.
Eure Majestät!
Überzeugt von der Milde und hohen Gnade Eurer Majestät werfen wir uns abermals1 alltreugehorsamste Unterthanen von Pojana Mikuli zu dem allerhöchsten Throne Eurer Majestät und breiten unsere demuthsvolle Bitte in allerschuldigster Unterthänigkeit mit der grössten Hoffnung, diesmal nicht unerhört von allerhöchsten Throne, zu Eurer Majestät Füssen vor. Nicht nur die traurige Lage der Ansiedlung von Pojana Mikuli schon, aber nun auch schon jetzt gegenwärtig äusserst grosse und herrschende Noth, welche das traurig missgerathene Jahre 1847 hervorrachte, macht uns, Eure Majestät, zu dem erbarmungswürgisten Umstande des Bedauerns, denn nicht nur, wie schon bereits die traurige Lage und Art der tiefgebeugten Bewohner allhier in der unterthönigsten Bittschrift dto. 23. Februar 1846 ad erga Retur Recepisse ausweist, aber auch zum grössten Erbarmen aller Ansiedler das verflossene missgerathene Jahr uns all unsere Nahrung verdarb und wir nun dem äussersten Hunger preisgegeben sind. Da nicht nur schon das kalte Klima der Lage von Pojana Mikuli von sich selbst, aber auch die umschliessende, noch nicht gerottete Waldung verbiethet, äusserst wenig andere Feldfrüchte als Erdäpfel anzubauen, so wandten wir alltreugehorsamste Unterthanen allen Fleiss an, selbe zu unserem Bedarfe anzustecken; allein leider Gott nicht nur zum Theile, wir an anderen Orten, sondern fast gänzlich verfaulten uns selbe hier, wo wir zum täglichen Bedarfe fast gar keine haben. Ausser der nun jetzt geschilderten höchst traurigen Lage, macht uns auch die Erhaltung der Czardaque Nr. 462 einen sehr herben Kummer; denn obwohl wir selbe schon bereits über ein Jahr erhalten, und uns selbe grosse Kosten verursacht hatte; wir nun, ungeachtet unseres guten Willens nicht vermögend im Stande sind, selbe ins Künftige aus Ursache unserer grossen Armuth zu erhalten. Auch ist wieder der winter hier und wir werden zum Klafterschlagen schon zum 3ten Mahle angehalten, wo wir auch schon selbe durch 2 Jahre thun mussten, was wir kaum, ohne Nahrung, entblösst von Kleidung, mit ohnehin schwachen Kräften auszuhalten nicht im Stande sind.3 Und nun voll grosser Hoffung, diesmahl nicht unerhört wegzugehen, werfen wir uns alltreugehorsamste Unterthanen zu Eurer Majestät Füssen, als unserem gütigsten und barmherzigsten Landesvater, nieder, und bitten mit emporgehobenen Händen um eine unparteiische Commission, welche uns besichtigen und unsere bedrängte Lage anschauen möge; denn ausser der zweiten eingereichten Bittschrift an Eure Majestät, haben wir noch keinen anderen gnädigen Bescheid erhalten, als den, mit dem Erlasse der höchsten K.K. Hofkanzlei dto Wien 20ten Dezember 1846 Zl. 41.646/2580 und in Folge hoher Gubernial Indorsates vom 18. Jänner 1847 Zl. 777/49, welcher Bescheid, der ja dieser Angelegenheit obschwebenden Verhandlung in Geduld abzuwarten uns bedeutet, und wo schon nun bereits über 10 Monathe verflossen sind, und wir kein anderes gnädiges Resultat erhalten haben. Möge doch Eure Majestät, dem innigen Flehen und Bitten der armen Ansiedler ein gnädiges Ohr verleihen, uns die gebethene unparteiische Commission hersenden, und uns von höchst selben Throne nicht unerhört fortgehen lassen; denn entfernt von unserem Vaterlande, setzen wir das grösste Vertrauen an unsern barmherzigsten und gütigsten Landesvater, der seine Kinder gewiss nicht verlassen wird, und die auch allezeit bereit sind, ihr Blut und Leben für einen so gütigen und liebevollen Vater aufzuopfern. Pojana Mikuli (Buchenhain) am 14sten Dezember 1847. (Es flogten die Kreuzmale von zwölf slowakischen Einwohnern mit ihrem von Schreiber beigefügten Namen, ferner folgende deutsche, fast durchwegs eigenhändigt geschriebene Namen: Georg Neuburger, Thomas Hackel, Josef Binder, Jakob Kufner, Karl Reitmajer, Georg Binder, Ignatz Hackl, Wenzel Hackl, +Mathias Eigner.) Unterschrieben ist der Akt von: Stefan Schuster, Ortsrichter und mit der Stampiglie: Gemeinde Buchenhain versehen. |
GESUCH VOM 6. APRIL 1848
Eure Majestät! Kämpfend in der traurigsten Lage und von der Gerechtigkeit und Milde eines gütigen Monarchen überzeugt, haben wir uns alltreu gehorsamste Unterthanen in der Hoffnung unsere häuslichen Umstände zu verbessern unser vielgeliebtes Vaterland Böhmen verlassen und uns in die Bukowina begeben. Die grosse Gnade Eurer Majestät eine Ansiedlung hier zu erhalten wurde uns zu Theil; allein leider Gott, ist diese Ansiedlung hier so gestaltet, dass grosse Anstrengung des Körpers erfordert wird, um nur kaum mühsam leben zu können; denn nicht genug, dass schon das wilde Clima an sich selbst verbietet wenige andere Gattungen der Früchte ausser Erdäpfel anzubauen, so ist die Beschaffenheit der Ansiedlung dermassen gestaltet, dass die ganze Ansiedlung in einem dichten und dicken Walde mit der grössten Mühe kaum urbar gemacht werden kann. Doch dieses ist Eure Majestät nur ein Theil unserer armen Unterthanen Beschwerde; aber da wir erst das 6te Jahr angesiedelt sind, und alle diese Lasten und Schuldigkeiten, welche andere Gemeinden, welche gute Gründe haben, tragen müssen, kommt uns sehr hart an, denn nicht einmal haben wir wie andere Siedlungen Freijahre erhalten. Aus dieser Ursache haben wir alltreugehorsamste Unterthanen eine Bittschrift wie es erga Retur Recepisse dto 23. Februar 1846 und abermals dto 25. September 1846 ausweist, zu dem allerhöchsten Throne Eurer Majestät als zur allergnädigsten Einsicht in allerschuldigster Unterthänigkeit um die Befreiung des Klafterholzschlagens unterbreitet, allein wir hatten bis heutigen Tages die hohe Gnade und das grosse Glück nicht gehabt, einen gnädigen Bescheid zu erhalten. Ausser dieser höchst traurigen Lage, macht uns ärmsten Ansiedlern die Erhaltung der Czardaque 46 einen der grössten Kummer, denn dass wir uns mit unserer zahlreichen Familie in der äussersten Noth ernähren, hat man die Czardaque zur Erhaltung uns aufgebürdet. Auf die drei eingereichten Bittschriften an Eure Majestät haben wir nur den Bescheid mit dem Erlasse der höchsten Hofkanzlei dto Wien 20. Dezember 1846 Zl. 41646/2580 und in Folge hohen Gubernial Indorsates vom 18. Jännuar 1847 Zl. 77749 erhalten, welcher Bescheid, der in dieser Angelegenheit abschwebenden Verhandlung mit Geduld abzuwarten, uns bedeutet. Pojana Mikuli (Buchenhain) am 6ten April 1848. (Es folgen zunächst die Namen von zwölf Slowaken, die durchwegs nur mit einem Kreuze sich unterfertigt haben, dann die Namen der deutschen Ansiedler,die mit einer einzigen Ausnahme eigenhändig sich unterschrieben haben.) Adalbert Fuchs, Wenzel Hackel, Johann Beugel (?), Josef Binder, Georg Hellinger, Georg Neuburger, Mathias Eigner, Josef Hartinger, Emilian Baumgartner, +Josef Haiden (?), Josef Seidl, Konrad Stöhr, Stefan Schuster, Ortsrichter. In response to our three petitions submitted to Your Majesty, we have only received a reply with the decree of the highest Exchequer dated Vienna, December 26, 1846, Zl. 41646/2580 followed by the high gubernatorial endorsement of January 18, 1847 Zl. 77749, telling us patiently to await a decision in this matter. Pojana Mikuli (Buchenhain) on April 6, 1848. (There next follow the names of twelve Slovaks, who all signed with a cross (┼), then the names of the German settlers who with one exception signed their names with their own hand: Adalbert Fuchs, Wenzl Hackel, Johann Beugel (?), Josef Binder, Georg Hellinger, Georg Neuburger, Mathias Eigner, Josef Hartinger, Emilian Baumgartner, ┼ Josef Haiden (?), Josef Seidl, Konrad Stöhr, Stefan Schuster, village mayor.) |
Am 23. August 1848 überreichten fast dieselben zwölf Slowaken, die sich auf dem obigen Gesuche unterschrieben hatten, durch den Abgeordneten Miron Czuperkowicz ein Gesuch an den Keiser, in dem sie ausführten, dass ihr “Leben allhier zum Erbarmen der Menschheit bestehe.”
Dann heisst es weiter: “Ungeachtet der Versprechungen unserer löblichen Herrschaft Solka, uns mit einem förmlichen Kontrakte anzusiedeln, sehen wir der Erfüllung der selben schon 6 Jahre entgegen, und zu unserem grössten Leidwesen mussten wir auf unseren öfteren Nachfragen aus dem Munde unserer Löblichen Herrschaft erfahren, dass wir nur privat angesiedelt sind.4 Unsere Besiedelung Pojana Mikuli besteht aus 78 Hausnummern und zwar sind davon wir 36 Nummern die sogenannten Slowaken,5 deren Älteren von Ungarn vor beinahe 60 Jahre hier in der Bukowina angesiedelt wurden . . .” (usw.)
Das Gesuch ist uns deshalb wichtig, weil wir daraus ersehen können, dass im Jahre 1848 in Pojana Mikuli sich 42 deutsche Siedlungshäuser befanden.
Als letztes Gesuch in dieser Reihe fand ich eine Bittschrift dto. Gurahumora, den 29. September 1848 an das österreichische Ministerium, das ähnliche Motive wie die früheren anführt. Diesmal aber verfassten es drei Gemeinden, nämlich Bori, Pojana Mikuli und Negrileasa, richtiger Vadul Negrilassa = Schwarztal. Im Dokumente wird der Ort auch “Vatra Negrilassa” genannt. Unterschrieben haben das Bittgesuch folgende Ansiedler: Andreas Jung, Richter von Vatra Negrilassa; Wenzel Schafhauser; Josef Baar (vielleicht Beer); Wenzel Hilgarth, Ortsrichter von Bori; Christoph Maidl; Johann Haas; Johann Lang; Stefan Schuster; Ortsvorstand (von Pojana Mikuli); + Anton Iwaschko (?); Anton Tischler; Nikolaus Kuschamik (?)
1Aus dem nächstfolgenden Gesuche erfahren wir, dass diese Gemeinde schon zwei Bittschriften verfasst hatte, die ich aber nicht gefunden habe.
2Militärische Grenzschutzabteilungen, die von den betreffenden Gemeinden verpflegt werden mussten.
3Die Kolonisten waren verpflichtet, alljährlich eine bestimmte Menge Holz zu schlagen und sie der Gutsherrschaft, d.i. in diesem Falle der Kameralherrschaft in Solka zur Verfügung zu stellen.
4Als sich die Kolonisten von Pojana Mikuli, Bori und Schwarztal an den Leiter des Amtes in Solka mit der Bitte wandten, ihnen die Gründe in dauernden Besitz zu übergegen, wie es Seine Majestät der Kaiser ihnen versprochen hatte, und den Himmel als Zeugen für die Richtigkeit ihrer Worte anriefen, soll er ihnen folgenes erwidert haben: „Der Kaiser ist weit, der Himmel is hoch und hier bin ich Kaiser!“ – Diese Worte haben sich bis heute in der Erinnerung der Kolonisten erhalten und wurden mir von mehreren Seiten mitgeteilt..
5Merkwürdigerweise beleidigen sich jetzt die nichtdeutschen Einwohner von Pojana Mikuli, wenn man sie Slowaken nennt; sie wollen nur Polen sein.