Die Marktgemeinde Czudyn

Mein Geburtsort und damaliger Wohnort bis 1940

Willi Kosiul

Aus der Website des Willi Kosiul
Hier wiedergegeben mit freundlicher Genehmigung des Sohns des Autors
7. Februar 2021


Mein Geburtsort und bis 1940 mein Wohnort Czudyn (auf deutsch Tschudin und auf rumänisch Ciudei), liegt ebenfalls im nördlichen Teil der Bukowina, im ehemaligen Kreis Storozynetz. Durch den Ort Czudyn verläuft die Fernverkehrsstraße (die damalige österreichische Militärstraße) die einst den Norden und Süden der Bukowina miteinander verbunden hatte. Nach Norden geht es nach Storozynetz sowie Czernowitz und danach nach Galizien und Polen. Nach Süden geht es in Richtung Krasna, danach zur ukrainisch/rumänischen Grenze sowie in Rumänien weiter nach Radautz, Suczawa, Siebenbürgen und Ungarn. Im Zentrum von Czudyn wird diese Fernverkehrsstraße durch eine befestigte Schotterstraße in Richtung Osten und in Richtung Westen gekreuzt. Durch diese beiden Straßen sowie der Straßenkreuzung war der Ort Czudyn ein wichtiger zentral gelegener Verkehrsknotenpunkt und ein großer zentraler Marktort.

Durch den Marktort Czudyn führen zwei Gebirgsflüsse,

  • ein größerer Fluss ist der „Serecell“, der aus dem Gebirge von Krasna Ilski kommend in den Fluss „Kleiner Sereth“ mündet und
  • ein kleinerer Fluss namens „Czudyn“, der aus dem Gebirge von Neuhütte kommend, im Ort Czudyn in den Fluss „Serecell“ mündete und damit ein Nebenfluss des „Serecell“ ist.

Beide Flüsse entspringen im Karpatengebirge bei Höhen von um die 500 m bis 600 m und sind im Sommer bei trocknem Wetter kleine flache und friedliche Bächlein. Jedoch im Frühjahr bei der Schneeschmelze und zu anderen Jahreszeiten bei viel und starkem Regen, werden sie beide zu überschwemmenden reißenden Flüssen.

Die Marktgemeinde Czudyn bestand aus dem großen zentralen Marktort, der rund um die genannte Straßenkreuzung und der Fernverkehrsstraße entstanden war. Dann hat Czudyn einem großen Ortsteil = genannt Kornischor, der sich vom Ortszentrum aus, in westlicher Richtung, hauptsächlich am Fluss Czudyn und der Straße entlang nach Neuhütte, in einer Länge von etwa 3 km lang hinaus zieht und auch nestartig nach Norden in die Breite geht. Der Marktort Czudyn lag etwa 446 über dem Meeresspiegel und sein Ortsteil Kornischor (in dem wir bis 1940 gewohnt hatten) hatte eine Höhe von 480 m. Dahinter begann gleich, in Richtung Westen der Karpatenwald und das Gebirge mit über 500 m Höhe und danach in nur wenigen Kilometern der Anstieg auf über 1.000 m.

Unser dortiges Anwesen lag direkt auf einem hohen Berg, mit sehr steilem südlichen Abhang und einer sehr schönen sowie weiten Aussicht nach Süden in Richtung Krasna sowie Althütte und nach Südwesten in Richtung Neuhütte. Auf und um diesen Berg hatten sich einst nur deutsche Familien sowie deren Nachkommen angesiedelt. An nichtdeutsche Familien wurde damals hier kein Bauland verkauft und dadurch hatten diese hierzu auch keinen Zugang zur Ansiedlung. In der Zeit vor 1700 gehörte diese Wohnsiedlung „Czudyn“ mit einigen Holzhäusern und Hütten sowie den dort umgebenen Ländereien, zwei reichen Schwestern aus der Moldau, die es geerbt, aber nie bewirtschaftet und auch selber dort gar nicht gewohnt hatten. Laut einer alten Urkunde vom 15. August 1701 hatten diese beiden reichen und recht gläubigen griechisch-orthodoxen Schwestern, ihren ganzen dortigen Besitz –diese Wohnsiedlung Czudyn mit den dazu gehörenden Ländereien, dem griechisch-orthodoxen Kloster in Putna Kreis Radautz in der Südbukowina geschenkt. Dadurch gehörte ab 1701 dieser gesamte Bereich dem griechisch-orthodoxen Kloster in Putna, welches etwa 40 km von Czudyn entfernt lag.

Da das Kloster Putna diese so weit entfernten Ländereien in Czudyn, nicht mit ihren Mönchen und Sklaven selber bewirtschaften konnten, hatten sie es den dortigen landlosen Bewohnern von Czudyn und Umgebung –gegen hohe Naturalabgaben und einem Pachtzins- verpachtet. Im Jahre 1707 wurde diese Wohnsiedlung erstmals namentlich als Ort „Czudyn“ erwähnt. Dieser Ortsname Czudyn kommt aus dem damaligen ruthenischen (heute ukrainischen Wort) „Czudo“ und heißt auf Deutsch = Wunder. Dieser Name entstammt folgender Legende:

Im Czudyner Bereich gab es einst Wasserquellen = Mineralquellen, die damals von den dortigen Bewohnern als heilige Wunderquellen mit einem Wunderwasser als ein Heilmittel angesehen und danach auch so bezeichnet wurden. Das Wunderwasser dieser Wunderquellen wurde besonders als Heilmittel für Augenleiden, aber auch für andere Krankheiten verwendet. Die Menschen dieser Umgebung mit Augenleiden oder auch anderen Krankheiten kamen zu diesen Wunderquellen und wuschen sich mit diesem Quellwasser das Gesicht und die Augen sowie auch andere kranke Körperteile, tranken auch dieses Quellwasser, um eine Linderung oder gar Heilung ihrer Krankheit zu erfahren. Es kamen aber auch viele gesunde Menschen der Umgebung zu diesen Wunderquellen, wuschen sich mit diesen Wunderwasser und tranken es auch, um dadurch solchen Krankheiten vorzubeugen.

Dadurch hatte diese Wohnsiedlung mit ihren Wunderquellen bereits damals in dieser Gegend eine besondere Bedeutung, wurde immer wieder von sehr vielen Menschen besucht und war dadurch bei der Bevölkerung der Umgebung auch sehr bekannt. Durch diese angeblichen Wunderquellen soll diese Wohnsiedlung damals den volkstümlichen Namen „Czudo“ = also Wunder, erhalten haben und daraus ist dann später auch der amtliche Ortsname „Czudyn“ entstanden. Der Fluss Czudyn soll mit diesen Wunderquellen gar nichts zu tun haben. Dieser Gebirgsfluss erhielt erst später seinen Namen, vom Namen dieser Wohnsiedlung abgeleitet, weil er durch diesen Ort Czudyn fließt. Auch die Wohnsiedlung Czudyn mit ihrer Umgebung, gehörte wie diese gesamte Gegend einst zum Fürstentum Moldau und stand fast 300 Jahre unter der Oberherrschaft der Osmanen = der Türken. Im russisch-türkischen Krieg (1768 – 1774) war es ab 1769 bis 1774 durchgehend russisches Besatzungsgebiet. Im Jahre 1774 besetzten österreichische Truppen dieses gesamten Gebietes für immer und 1775 wurde es vertraglich und völkerrechtlich von der Türkei an Österreich abgetreten. In dieser Zeit 1774/1775 bis 1783 war die Wohnsiedlung Czudyn mit ihrer Umgebung immer noch Eigentum des griechisch-orthodoxen Klosters in Putna Kreis Radautz in der Südbukowina. Die Wohnsiedlung Czudyn hatte bei der österreichischen Besetzung im Jahre 1774 insgesamt 34 Familien mit etwa 170 Personen. In den Jahren 1783 bis 1785 wurde, laut Dekret des österreichischen Kaisers Joseph II. der gesamte Grund und Boden der griechisch-orthodoxen Kirche und ihren Klöstern abgenommen und unter österreichischer staatlicher Verwaltung gestellt. Laut diesem kaiserlichen Dekret wurden damals –zwischen 1783 und 1785- in der Bukowina viele Klöster ganz aufgelöst und ihre Anzahl sehr stark reduziert. In den dann noch verbliebenen Klöster wurde ihr Personal (ihre Mönche und auch ihre Sklaven) auch zahlenmäßig abgebaut.

Diese kirchlichen Ländereien und Wälder wurden gebietsweise in einem damals genannten „Griechisch-Orthodoxen Religionsfonds“ zusammengefasst und durch den österreichischen Staat verwaltet. Dabei kam die Wohnsiedlung Czudyn mit den dazu gehörenden Ländereien und Wälder in die Religionsfondsherrschaft mit ihrem Sitz in Kuczurmare -zwischen Storozynetz und Czernowitz-, die darüber die staatliche Verwaltung ausübte.

Diese staatliche Religionsfondsherrschaft in Kuczurmare verpachtete diese Ländereien um Czudyn, Krasna Putna, Neuhütte usw. bis in den Raum Storozynetz hinein an einen österreichischen Großpächter Ritter von Kriegshaber aus Galizien. Dieser österreichische Großpächter Ritter von Kriegshaber hatte dann das langfristig gepachtete Land, einschließlich der Waldflächen, an die dortigen Bewohner und dann auch später an zugewanderte Familien, unter bestimmten Bedingungen, zu ihrer Nutzung weiter verpachtet.

Durch diese Möglichkeit der jetzt günstigen Landvergabe und der erfolgten späteren Ansiedlung von Zugewanderten, der günstigen Ortslage sowie der Verkehrsverbindungen, hatte sich die Wohnsiedlung Czudyn gut weiterentwickelt und ihre Einwohnerzahl nahm dabei zu. Im Jahre 1784 hatte Czudyn bereits 67 Familien mit etwa 335 Personen. Nach der Zuwanderung aus der Moldau und aus Galizien, kamen dann nach 1800 auch einige deutschböhmische Einwanderer aus dem Böhmerwald und siedelten sich hier in Czudyn, unter der bereits vorhandenen Bevölkerung, an. Als um 1815 im westlichen Wald von Czudyn, durch deutschböhmische Glasmacher und auch slowakischen sowie polnischen Holzfällern eine neue Glashütte aufgebaut wurde, entstand dabei auch eine neue deutsche Wohnsiedlung, die später „Neuhütte“ genannt wurde und immer zur Gemeinde Czudyn gehörte. In den späteren Jahren wurden allen in die Bukowina eingewanderten und dort angesiedelten Einwanderer aller Nationalitäten, mit österreichischem kaiserlichem Dekret, der dort angepachteter Grund und Boden als eigenes Erbland übergeben. Dieser dadurch erhaltene Grundbesitz konnte auch an die Kinder vererbt, jedoch nicht weiter verkauft werden. Um die Jahre 1880 und danach kamen viele verschiedene Zuwanderungen verschiedener Nationalitäten, ließen sich hier in Czudyn nieder und wurden sesshaft. Dabei waren deutschböhmische Einwanderer oder auch bereits ihre Nachkommen aus anderen neu gegründeten deutschen Wohnsiedlungen aus der Bukowina, die nach Czudyn gekommen waren und aus verschiedenen Gründen hier wohnhaft wurden.

Am 31. Dezember 1900 hatte die Gemeinde Czudyn, mit ihren Ortsteil Kornischor (ohne die Wohnsiedlung Neuhütte) insgesamt 2.594 Einwohner, verschiedener Volksgruppen und Nationalitäten. Bei diesen Einwohnern von Czudyn waren folgende Glaubensbekenntnisse:

  • 67 % griechisch-orthodoxe mit überwiegend Rumänen und einigen Ruthenen,
  • 20 % Juden und
  • 12 % Katholiken (überwiegend Deutsche und einige Polen).

Die Umgangssprache war zu dieser Zeit in Czudyn folgende:

  • 66 % der Bewohner sprachen rumänisch,
  • 31 % sprachen deutsch (einschließlich der Juden) und nur
  • 2 % sprachen hier ruthenisch.

Da die Amtssprache hier damals deutsch war und die gebildeten Juden auch die deutschen Schulen sowie andere höhere deutsche Bildungseinrichtungen besucht hatten, weil ihre Eltern wohlhabend waren und sich das finanziell leisten konnten, beherrschten damals fast alle Juden sehr gut die deutsche Sprache.

Da die Gemeinde Czudyn durch eine starke Zuwanderung zu einer großen Gemeinde heran wuchs, die Ortslage sehr gut zentral lag und dort die Verkehrsbedingungen auch sehr günstig waren, wurde die Gemeinde Czudyn im Jahre 1906 zur Marktgemeinde erhoben. Danach war Czudyn amtlich eine Marktgemeinde mit offiziellen Marktrechten, eine zentrale Stelle für den öffentlichen Handel und das regelmäßige Markttreiben aller umliegenden Dörfer und Gemeinden. Darüber hinaus wurde danach die amtliche Marktgemeinde Czudyn auch in die Regeln der wöchentlichen planmäßigen großen Markttage von Storozynetz – Czudyn – Sereth – und Radautz eingereiht. Danach war in Czudyn jeden Mittwoch der große Markttag, zu dem auch die Händler von Storozynetz – Sereth – und auch Radautz nach Czudyn kamen um auch hier zu handeln. Auf diesen großen wöchentlichen Märkten, an den bestimmten Tagen der Woche, in Storozynetz – Czudyn – Sereth – und Radautz, wurde mit allem gehandelt, vom Hühnerei und der Butter bis zu Rindern und Pferden. Die Juden und professionellen Händler wanderten damals zu allen Markttagen –von einem zum anderen- am Mittwoch nach Czudyn, am Donnerstag nach Storozynetz, am Freitag nach Radautz und am Samstag nach Sereth, je nach Wunsch und Bedarf. Aber auch die Bauern und Handwerker, die mehrere Waren zu verkaufen hatten, wie z. B. im Herbst nach der Ernte, fuhren auch aus Czudyn und Umgebung nach Storozynetz bzw. auch weiter, um ihre Waren abzusetzen. Die Bäuerinnen aus Czudyn und Umgebung, die ihre landwirtschaftlichen Produkte am Mittwoch in Czudyn auf dem Großmarkt nicht los wurden, gingen am Donnerstag auch die 16 km nach Storozynetz zu Fuß oder fuhren mit dem Pferdewagen, um dann dort ihre Waren zu verkaufen.

Die Gemeinde Czudyn hatte seit um 1900 eine große massive staatliche österreichische Volksschule mit mehreren Klassenräumen und auch mehreren Lehrern, die in den ersten Jahren den Unterricht in deutscher Sprache und in einigen Klassen auch in rumänischer Sprache durchgeführt hatten. Nach 1919 –unter rumänischer Herrschaft- wurde diese große Volksschule eine rumänische staatliche Volksschule mit den Unterricht in nur rumänischer Sprache.

Im Jahre 1930 wurde auch in unserem Ortsteil Kornischor eine kleine massive staatliche rumänische Schule, mit zwei Klassenräumen errichtet, in der alle Kinder dieses Ortsteils von der 1. bis zur 4. Klasse diese Schule mit nur rumänischen Sprachunterricht besuchten. In einem Klassenraum waren jeweils zwei Altersklassen untergebracht. Die ältere Altersklasse hatte am Vormittag und die jüngere Altersklasse hatte am Nachmittag ihren Unterricht und wurde jeweils durch einen Lehrer unterrichtet. Meine Geschwister sowie auch ich hatten diese rumänische staatliche Schule im Kornischor besucht. Diese Schule war nur etwa 400 bis 500 m von unserem Haus entfernt. Da sich unser Wohnhaus auf einem hohen Berg befand, konnten wir von zu Hause aus, unseren Schulweg einsehen und auch unsere Schule sehen.

Ich wurde in dieser Schule im Jahre 1937 –mit sieben Jahren- dort eingeschult und hatte sie bis zur dritten Klasse im Juni 1940 besucht. Wir deutschböhmischen Kinder durften in dieser rumänischen staatlichen Volksschule, nicht einmal in den Pausen unter einander, uns in unserer deutschböhmischen Muttersprache unterhalten. Das war an dieser Schule, wie auch an vielen anderen rumänischen Schulen, bei Strafe verboten.

Wie in den Schulen so war es auch in allen staatlichen rumänischen Verwaltungen. Nur die rumänische Amtssprache war da zugelassen. Alle anderen Sprachen waren untersagt. Das wurde durch die rumänischen Behörden und Verwaltungen so verlangt und auch durchgesetzt, um die dortige deutsche Bevölkerung sowie auch andere Nationalitäten zu erniedrigen, sie zu unterdrücken und sie so leichter zu romanisieren.

Ab der fünften bis zur siebenten Klasse mussten die Kinder unseres Ortsteils Kornischor dann zur großen Volksschule –der Zentralschule- nach Czudyn gehen. Doch die meisten Kinder hatten davon keinen Gebrauch gemacht und blieben einfach nach der vierten Klasse, unerlaubt dem weiteren Schulbesuch fern. Der Schulweg zur großen Volksschule –der Zentralschule- nach Czudyn betrug etwa 3 km und war dadurch zu weit zu laufen. Die großen Kinder wurden bereits auch zu Hause in der Land- und Hauswirtschaft als Arbeitskraft benötigt und deswegen schickten die meisten Eltern ihre größeren Kinder –nach der vierten Klasse- nicht mehr zu Schule. So war es auch bei allen meinen Geschwistern, die alle nur vier Jahre die dortige Volksschule besucht hatten.

Die wenigen Eltern die ihre Kinder dann ab der 5. Klasse doch zur Zentralschule nach Czudyn geschickt hatten, waren besonders in den Wintermonaten, wegen dem dort sehr hohen Schnee und der strengen Kälte, oft veranlasst, ihre Kinder in dieser kalten Jahreszeit zu Hause zu behalten und auf besseres Wetter zu warten.

Aber auch in den Zeiten der Frühjahrsbestellung, den Pflegearbeiten in der Landwirtschaft und dann auch noch in der Erntezeit im Herbst, behielten viele Eltern ihre größeren Kinder als Arbeitskräfte zu Hause und schickten sie auch nicht zur Schule. Dadurch war auch bei manchen dieser größeren Kinder dann der Schulbesuch auch zu Ende. Diese Haltung der Eltern zum Schulbesuch ihrer Kinder wurde damals dort von den rumänischen Behörden toleriert. Das hatte da keine Schulbehörde und auch die Lehrer nicht interessiert.

Die begabten Kinder mit reichen Eltern, die sich das finanziell leisten konnten, schickten ihre Kinder regelmäßig zur Volksschule bis zum endgültigen Abschluss der 7. Klasse, wie es dort damals nach der Schulpflicht üblich war. Danach schickten viele von ihnen ihre Kinder auch zu höheren Bildungseinrichtungen in die Kreisstadt Storozynetz oder auch in die Landeshauptstadt Czernowitz, mit Internatsunterkunft und aufwendigen finanziellen Ausgaben. Die medizinische ambulante Betreuung und Versorgung war in Czudyn für die Bewohner der Gemeinde und auch der umliegenden Dörfer und Gemeinden bis 1940 durch drei Ärzte und einer Apotheke gegeben. Ein Krankenhaus gab es in Czudyn nicht, sondern nur in den Städten, wie Storozynetz und Czernowitz.

Da die dortigen Bewohner nicht immer das notwendige Geld hatten, bei Krankheiten einen Arzt aufzusuchen, wurden überwiegend Naturpflanzen sowie Hausmittel dazu verwendet, wieder gesund zu werden. Wer dazu körperlich zu schwach, zu wenige eigene Abwehrkräfte hatte und es deswegen nicht schaffte wieder gesund zu werden, der hatte es nicht überstanden und wurde zu Grabe getragen. Deswegen war da die Sterblichkeitsrate unter der Bevölkerung, oft schon durch einfache Erkältungskrankheiten, recht hoch. Besonders die Kindersterblichkeit sowie der Frauentod im Wochenbett waren dabei stark vertreten. Nur in ganz schweren Krankheitsfällen und wenn dazu auch das notwendige Geld vorhanden war, wurde ein Arzt aufgesucht und auch die notwendige Medizin in der Apotheke gekauft.

Die Marktgemeinde Czudyn hatte ein Amtsgericht, Staatsanwälte sowie Rechtsanwälte und eine kleine Polizeistation mit zwei Polizisten für unseren dortigen Bereich in Czudyn und Umgebung. Im Ort Czudyn gab es auch eine Wach- und Schließgesellschaft mit einigen bewaffneten Männern, die beim rumänischen Militär ausgedient hatten. Mein ältester Bruder Adolf war auch dabei. Auch mehrere Geschäfte und Gaststätten waren in Czudyn vorhanden, jedoch überwiegend in jüdischer Hand.

Die Marktgemeinde Czudyn hatte in dieser ganzen Umgebung auch die einzige Eisenbahnverbindung mit Bahnhof. Es war ein Sackbahnhof, weil hier diese Eisenbahnverbindung vor dem Karpatengebirge endete, weiter ging es nicht. Der Zugverkehr ging somit von Czudyn aus, nur in einer Richtung, nach Nordosten nach Hliboka und auf Umwegen –wegen der Berge- in die Kreisstadt Storozynetz und danach auch weiter nach Norden in die Landeshauptstadt Czernowitz oder auch nach Süden, nach Sereth, Radautz und Suczawa. Von Czudyn aus ging auch ein Betriebsgleis mit Normalspur, nur für den Güterverkehr etwa 7 km nach Krasna in das dortige große Sägewerk und die dortige große Sperrholzfabrik.

Czudyn hatte auch eine kleine Schmalspurbahn in Richtung Westen ins Gebirge – über Augustendorf bis nach Banilla. Diese Schmalspurbahn wurde extra für den Holztransport aus dem Waldgebirge gebaut. Sie ging bis zum Czudyner Bahnhof, dann wurden die Baumstämme auf das Betriebsgleis der Normalspur umverladen und dann weiter zum Sägewerk nach Krasna befördert. Diese Schmalspurbahn hatte auch einen kleinen Personenzugwagen mit geführt, um auf dieser Strecke auch den Personenverkehr zwischen Czudyn – Augustendorf – und Banilla zu befördern. Weiter gab es in dieser unserer Umgebung –wegen dem Karpatengebirge- keine Bahnhöfe bzw. Zugverbindungen.

Durch den amtlichen Marktort in Czudyn sowie diesen vorhandenen gesellschaftlichen Einrichtungen, einschließlich des einzigen Bahnhofes und der Eisenbahnverbindung, war Czudyn hier ein zentraler Mittelpunkt und die Bewohner der umliegenden Dörfer und Gemeinden waren in vielen Fragen auf Czudyn angewiesen.

Der Ort Czudyn hatte auch schon seit vielen Jahren eine große massive griechisch-orthodoxe Kirche und auch einen großen massiven jüdischen Tempel, die für die vielen Gläubigen dieser Konfessionen der umliegenden Dörfer und Gemeinden auch hier die einzigen waren. Dadurch kamen auch diese Gläubigen nach Czudyn zur ihrer Kirche. Im Jahre 1867 bauten sich die Katholiken in Czudyn eine kleine römisch-katholische Kapelle aus Holz, in der nur jeden zweiten Sonntag eine kleine Messe abgehalten wurde. Hierzu kam ein katholischer Missionar (Kaplan oder Pfarrer) zuerst aus Kaczyka, später aus Krasna und Althütte der diesen Gottesdienst abgehalten hatte.

Althütte war zu dieser Zeit und auch später bis 1940 die einzige zuständige katholische Kirche und auch die Pfarrei dieser gesamten Gegend. Daher mussten auch die Katholiken aus Czudyn, besonders zu kirchlichen Andachtstagen sowie kirchlichen Feiertagen und auch bei familiären Ereignissen, wie Kindtaufe und Trauungen, 10 km nach Althütte zur Kirche gehen bzw. mit dem Pferdefuhrwerk fahren. Bei Sterbefällen und deren Beisetzungen musste der Pfarrer aus Althütte mit dem Pferdewagen abgeholt, zum Sterbehaus und Friedhof gebracht und danach auch wieder nach Hause nach Althütte gebracht werden. Wer keine Pferde hatte, der musste sich dazu einen Fuhrmann anmieten.

In den Jahren von 1933 bis 1935 wurde in Czudyn eine größere massive römisch-katholische Kirche –mit Kirchturm- errichtet. Bis zum Jahre 1935 gehörte die katholische Kirchengemeinde Czudyn zur Pfarrei Althütte und als die Kirche in Czudyn errichtet war, wurde die katholische Kirchengemeinde Czudyn (mit auch einigen umliegenden Dörfer und Gemeinden) aus der Pfarrei Althütte herausgelöst und zu einer eigenen Pfarrei erhoben, was danach aber so auch nicht funktioniert hatte. Die Pfarrei Czudyn hatte zu dieser Zeit etwa 600 Katholiken, überwiegend Deutsche und darunter auch einige Polen.

Nun hatte Czudyn ab 1935 eine massive schöne eigene Kirche mit Kirchturm und einer Kirchenglocke und wurde auch zur selbständigen Pfarrei erholen, aber es hatte dazu keinen eigenen Pfarrer, der auch dort wohnte. Deswegen musste immer noch, nach wie vor –bis 1940-, ein Pfarrer aus Althütte nach Czudyn kommen, um dort an nur bestimmten Tagen die Messen zu halten und auch notdürftig alle anderen kirchlichen Aufgaben zu erledigen.

Im Jahre 1939 hatte die Marktgemeinde Czudyn mit seinem großen Ortsteil Kornischor, (ohne das dazugehörige Dorf Neuhütte) = 3.741 Einwohner, davon 597 = 16 % Deutsche, die einst als deutschböhmische Einwanderer in die Bukowina gekommen waren. Später waren auch schon Nachkommen aus deutschböhmischen Dörfern nach Czudyn zugewandert. Sie alle waren römisch-katholischen Glaubens.

Im Jahre 1940 hatte Czudyn mit seinem Ortsteil Kornischor (ohne das deutschböhmische Dorf Neuhütte) um die 4.500 Einwohner, darunter 18 % Deutsche und auch fast so viele Juden im Ort. Die Marktgemeinde Czudyn hatte westlich und nordwestlich seiner Vorortes Kornischor eine sehr große Hutweide von mehreren Quadratkilometern. Unter diesen alten österreichischen Begriff „Hutweide“ verstand man eine große öffentliche Weidefläche für das Hausvieh, die der Gemeinde gehörte. Jeder Gemeindebewohner durfte sein ganzes Vieh –von der Gans bis zum Pferd- das ganze Jahr unentgeltlich darauf weiden lassen. Da diese Hutweide gar nicht, oder nicht durchgehend eingezäunt war, musste in der Regel jeder Besitzer sein Viel darauf hüten, damit es nicht weg läuft oder in umliegende bestelle landwirtschaftliche Flächen eindringt und dort Schaden anrichtet. Da man auf dieser öffentlichen Weide sein Vieh hüten sollte, nannte man es „Hutweide“.

Diese unsere dortige Hutweide war nach Westen zum Karpatenwald hin, vollkommen offen, so dass dort die Schafe, Rinder und auch Pferde hätten hinein verschwinden können. Diese Hutweide war so groß, dass oft das darauf –auch ohne Aufsicht- weidende Vieh am Abend durch einen Reiter mit Hund nach Hause eingetrieben wurde.

Da unsere kleine Bauernwirtschaft –wie auch einige andere- direkt an diese Hutweide angrenzte, hatten wir es sehr günstig mit unserem Vieh, es vom Hof direkt auf die Hutweide zu treiben.

Auch der Gemeindewald begann so etwa einen Kilometer von unserem Hof entfernt, was für die Beschaffung des notwendigen Baumaterials sowie auch Brennholz sehr günstig war. Ein Baum wurde beim zuständigen Förster gekauft und der „Rest“ wurde nur „mitgenommen“.

So lebte die deutsche Minderheit hier in Czudyn, in dieser multinationalen Marktgemeinde als Tagelöhner, Waldarbeiter, Fuhrmänner, Bauern sowie Handwerker mit bäuerlichem Nebenerwerb (meist in ärmlichen Verhältnissen) bis zu ihrer Umsiedlung im Jahre 1040 in das Deutsche Reich.

Hier lebten die Deutschen, wie auch die anderen Nationalitäten, bescheiden, recht anspruchslos und besonders die kinderreichen Familien (die zwischen 8 und 12 bzw. noch mehr Kindern hatten) waren sehr armselig dran. Hier wurde Grundbesitz der Familien durch die Heirat und Mitgift sowie den Hausbau für das junge Ehepaar auf eigener Scholle, immer mehr aufgeteilt und dadurch laufend verkleinert. Dadurch wurden mit der Zeit die Ackerflächen der Eltern auch immer kleiner und reichten mit der Zeit nicht mehr aus, um die eigene Familie davon zu ernähren. Dadurch war dann der Hausvater und dann auch die Söhne gezwungen, sich eine Arbeit und damit einen Verdienst zu suchen um die Familien ernähren zu können.

Die dadurch verkleinerten Bauernwirtschaften wurden –in diesen Fällen- durch die Frauen und Kinder, meist nur für dem eigenen Bedarf- bewirtschaftet. Meist hatten die Männer außerhalb des Ortes bzw. viele Kilometer weit im Karpatenwald gearbeitet und kamen nur übers Wochenende nach Hause. Dadurch lastete die kleine Land- und Hauswirtschaft sowie auch die Versorgung der Familie und Erziehung der Kinder meist auf den Schultern der Frauen, die im allgemeinen mehr beansprucht und sich abgeplagt hatten, als ihre Männer in der Fremde und fern ihren Familien.

In der gesamten Marktgemeinde Czudyn sowie auch in allen umliegenden Dörfern und Gemeinden gab es bis 1940 dort kein elektrisches Licht. Hier waren die bekannte Petroleumlampe sowie die Stall-Laterne die Beleuchtungsquellen für Haus und Stall. Die Wasserversorgung wurde durch einen Kasten-Kurbelbrunnen mit Kette und Wassereimer gewährleistet, was in den Dörfern auch heute noch der Fall ist und gut funktioniert.

Am 28. Juni 1940 besetzte die Sowjetarmee auch unsere Marktgemeinde Czudyn und Umgebung für immer und löste dadurch die Umsiedlung der Deutschen in das Deutsche Reich aus.

Laut dem Umsiedlungsvertrag zwischen Berlin und Moskau vom 05. September 1940 hatten wir Deutsche –gegenüber der anderen Nationalitäten der sowjetisch besetzten Nordbukowina- besondere Privilegien. Dabei genossen wir als Deutsche mit unserem Eigentum, einen besonderen Schutz und eine amtliche Rücksichtnahme durch die Sowjetarmee. In den Städten und größeren Gemeinden wurden an wichtigen Häusern bzw. Objekten der Deutschen, von außen gut sichtbar, Schilder in deutscher und russischer Sprache angebracht, mit der Aufschrift „Dieses Haus ist deutsches Eigentum“. Diese Schilder an den Häusern sowie auch die persönlichen Umsiedlungskarten der Umsiedler wurden durch die Sowjetarmee beachtet und die vertraglichen Vereinbarungen dazu auch eingehalten.

Der Umsiedlungsbereich Czudyn mit Neuhütte und noch einigen weiteren umliegenden Ortschaften und Gemeinden wie Budenitz, Petrowitz und Kupka, wurde als der Ortsbereich „Bu 10“ gebildet.

Der hier in Czudyn eingesetzte reichsdeutsche Ortsbevollmächtiger, der für den gesamten Ortsbereich „Bu 10“ verantwortlich war, quartierte sich hier in einem deutschen Wohnhaus ein und mietete sich auch hier in Czudyn in einem größeren deutschen Wohnhaus ein Zimmer als sein Arbeitsbüro an. Die deutsche Umsiedlungskommission in Czudyn bestand aus dem reichsdeutschen Ortsbevollmächtigten, seinem Stellvertreter und einem deutsch-russischen Dolmetscher, einem Taxaktor und seiner Sekretärin. Dazu hatte er auch noch einem Kraftfahrer mit Pkw. Dem Ortsbevollmächtigten standen in Czudyn noch zwei ortskundige sowie ortsansässige buchenlanddeutsche Berater und Helfer zur Verfügung. Zur gesamten Umsiedlungskommission gehörte auch noch ein ständiger sowjetischer Vertreter (Offizier der Sowjetarmee) mit seinem russisch-deutsch Dolmetscher und Kraftfahrer.

Alle deutschen umsiedlungswilligen Familien und Personen ab dem 14. Lebensjahr aus, mussten hier im Arbeitsbüro der Umsiedlungskommission persönlich, mit ihren Dokumenten, wie Taufschein, Trauungsschein, Ahnenpass usw. erscheinen und die Umsiedlung in das Deutsche Reich beantragen. Hier im Arbeitsbüro der Umsiedlungskommission wurden im Beisein des deutschen Ortsbevollmächtigten und des sowjetischen Vertreters die Umsiedlungsanträge gestellt, die mitgebrachten Unterlagen vorgelegt und durch beide verantwortlichen Vertreter und Seiten auf ihre Echtheit und Antragsberechtigung geprüft, bzw. auch noch Fragen geklärt.

Der reichsdeutsche Ortsbevollmächtigte achtete, mit der Unterstützung seiner ortskundigen Berater und Helfer darauf, dass keine fremdvölkische Familien oder Personen zur Umsiedlung angenommen wurden. Jeder Antragsteller musste mindestens ein arischdeutsches Großelternteil amtlich nachweisen konnte. Die deutschen Antragsteller mussten sich schon immer öffentlich zum deutschen Volkstum bekannt, dort offiziell der deutschen Volksgemeinschaft angehört und auch nach den deutschen Sitten und Gebräuchen gelebt und verhalten haben. Auch diese Faktoren wurden von der örtlichen deutschen Umsiedlungskommission sehr kritisch gewertet und beachtet.

Der sowjetische Vertreter dieser Umsiedlungskommission achtete darauf, dass dort keine Anträge von nicht Deutschen, also unberechtigten Personen angenommen und zur Umsiedlung zugelassen wurden. Seine Aufgabe bestand auch darin, die Anzahl der Umsiedlungen aus seinem Wirkungsbereich so gering wie möglich zu halten.

In Zweifelsfällen bei der Antragstellung des Umsiedlungswilligen oder bei Einspruch durch den sowjetischen Vertreter (was auch oft vorkam), wurden die Unterlagen an die Gebiets-Umsiedlungskommission in Czernowitz geschickt, wo dann dort die übergeordnete deutsche und auch sowjetische Seite es nochmals geprüft, darüber beraten und es dann gemeinsam endgültig entschieden hatten.

Jeder deutsche Antragsteller der vom deutschen Ortsbevollmächtigten –in Abstimmung mit seinem sowjetischen Partner zur Umsiedlung angenommen wurde, erhielt seine amtliche deutsche „Umsiedlungskarte“ mit Name, Vorname, Geburtsdatum und seiner Kenn-Nummer als Legitimation. Diese Umsiedlerkarte war aus fester Pappe, mit einer Öse sowie einem Umhängeband daran und musste beim Abtransport, durch jeden Umsiedler um den Hals getragen werden.

Danach wurde ihr unbewegliches Eigentum (die Häuser und ihre Felder) zuhause, durch einen deutschen und einen sowjetischen Taxator gemeinsam geschätzt, schriftlich erfasst und abgenommen. Darüber hatte jeder Umsiedler danach dort sofort vom deutschen Taxator eine amtliche Eigentumsliste –als seinen Nachweis- erhalten. Inzwischen wurde dann –in Czernowitz- der Transportplan für die Umsiedlung aufgestellt, danach die Sonderzüge zu den vereinbarten Terminen und notwendigen Abgangsbahnhöfen, bei den dortigen sowjetischen Behörden bestellt und der Abtransport begann.

Im Ortsbereich „Bu 10“ Czudyn und Umgebung wurden insgesamt 2.172 deutschstämmige Personen zur Umsiedlung in das Deutsche Reich erfasst und genehmigt. Der Abtransport erfolgte für alle vom Bahnhof Czudyn in zwei Sonderzügen. Jeder Sonderzug bestand aus Personenwagen und hatte ein Fassungsvermögen von etwa 1.000 Personen, mit ihrem Handgepäck. In jedem Sonderzug gab es auch einige Güterwagen für das größere Gepäck der Umsiedler. Jeder Umsiedler bekam seinen Sonderzug zugewiesen mit der jeweiligen Abfahrtzeit und hatte sich an diesem Tage rechtzeitig, vor der Abfahrt, mit seiner Familie und dem Gepäck, am Bahnhof einzufinden. Am 07. Oktober 1940 um 12,00 Uhr fuhr unsere Familie (meine Mutter mit uns 3 Kinder) mit dem ersten Sonderzug aus unserem Ortsbereich „Bu 10“ Czudyn, als der bereits 12. Sonderzug aus der Nordbukowina, über Czernowitz und dem Grenzübergang Sanok sowie Krakau in das Deutsche Reich. Unser Sonderzug hatte 976 Personen aufgenommen, überwiegend aus Czudyn sowie auch einige aus Neuhütte.

Unser Ortsbevollmächtigter blieb in Czudyn zurück und unser Transportführer brachte uns –im sowjetischen Sonderzug- bis über die sowjetisch/deutsche Grenze nach Przemysl. Danach fuhren wir nach Krakau, wo uns ein großer offizieller Empfang im Deutschen Reich, mit umfangreicher warmer Verpflegung und auch medizinischer Versorgung, erwartet hatte. Danach ging es –mit Marschverpflegung ausgerüstet- im selben Zug weiter bis ans Ziel unserer Reise, ins Beobachtungslager nach Ottmachau in Oberschlesien. Am 29. Oktober 1940 um 22 Uhr fuhr dann der zweite Sonderzug aus unserem Ortsbereich „Bu 10“ = Czudyn mit insgesamt 1.101 Personen. Mit diesem zweiten Sonderzug war die Umsiedlung der Deutschen aus dem Ortsbereich „Bu 10“ Czudyn abgeschlossen und das Deutschtum in dieser Gegend erloschen.

Da unser bisheriges unbewegliches Eigentum abgeschätzt war und von den sowjetischen Vertretern erfasst wurde, die Sowjetunion es an das Deutsche Reich finanziell –über den Außenhandel- begleichen sollte, wurde es Staatseigentum der Sowjetunion. Da sich aber die dortigen sowjetischen Behörden danach nicht darum gekümmert hatten, zogen in viele deutschen Häuser und Gehöfte hiesige Rumänen sowie auch Ukrainer ein und nahmen es in Besitz. Andere deutsche Häuser blieben leer, waren dem Verfall ausgesetzt und jeder holte sich dort was er als Baumaterial oder Brennholz benötigte. Am 22. Juni 1941 begann dann der Krieg zwischen dem Deutschen Reich sowie der Sowjetunion und die sowjetischen Truppen zogen sich danach kampflos aus diesem gesamten Gebiet der Nordbukowina nach Osten in die damalige Sowjetunion zurück. Danach folgten Anfang Juli 1941 die rumänischen Truppen kampflos und besetzten Czudyn sowie die gesamte Nordbukowina. Unmittelbar danach wurden alle Juden aus Czudyn und der Umgebung, durch rumänische Soldaten inhaftiert und ins Gerichtsgebäude von Czudyn gebracht. Dort wurden an einem Tage insgesamt 634 Juden hintereinander, durch Genickschuss ermordet und hinter dem Gerichtsgebäude in einem Massengrab vergraben. Dadurch blieb in Czudyn und Umgebung kein Jude am Leben. Am 30. März 1944 wurde Czudyn –wie auch die gesamte Nordbukowina- wieder durch die Sowjetarmee kampflos für immer besetzt und der Ukrainischen Sowjetrepublik unterstellt.

Heute hat die Gemeinde Czudyn etwa über 4.000 Einwohner und ist ein bedeutungsloser Ort geworden. Es gibt hier kein Gericht, keine Staatsanwälte oder Rechtsanwälte, keine Polizeistation, kein Arzt und auch keine Apotheke sowie auch keine Geschäfte oder Gaststätten. Auch der Handel auf dem Markt fehlt heute dort. Nur ein „Magazin“ als ein kleines Geschäft ist heute dort in Czudyn vorhanden, mit nur einem sehr geringen Warenangebot, weil durch die heute sehr hohe Arbeitslosigkeit dort kaum eine Kaufkraft vorhanden ist.

Der Ort Czudyn heißt heute auf ukrainisch „Mejirizzia“ und auf rumänisch Ciudei. Die Entfernung von Czudyn nach Storozynetz beträgt 16 km und nach Czernowitz 38 km. Von Czudyn nach Krasna Putna sind es 6 km, nach Althütte der Schotterstraße entlang über Krasna Putna sind es 10 km. Den Fußpfad durch den Wald –von Czudyn nach Althütte sind es nur 6 km. Zur ukrainisch / rumänischen Grenze nach Süden hin, sind es insgesamt 17 km. Von Czudyn nach Neuhütte sind es = 10 km, dann weiter über Neuhütte nach Augustendorf sind es nochmals 4 km, also insgesamt 14 km und dann noch 2 km weiter, über Augustendorf nach Moldauisch-Banilla sind es insgesamt 16 km.

Weitere und noch umfangreichere Informationen dazu gibt es in meinen bereits angeführten drei Büchern über die Bukowina.