“Wie unsere Gemeinde Schwarzthal enstand”
in Katholischer Volks- und Hauskalender für die Bukovina,
(Czernowitz), 4/1936: 137-41
Wenn bei uns der kurze Wintertag zu Ende geht, da versammeln wir uns noch bei diesem oder jenem Nachbarn zum Spinnabend. Die Frauen spinnen und die Männer beschächfiten sich mit kleinen Basteleien. Unterhaltung und Scherz würzen die trauten Arbeitstunden.
An diesen Abenden habe ich unsere Alten über so manches unserer Abstammung und über die Entstehung unseres Dorfes Schwarzthal gefragt und nach und nach unsere Geschichte herausbekommen, die ich nun im folgenden erzählen will. Wenn meine Erzählung uach nicht überall der Wissenschaft entsprechen mag, so slabe ich damit unserem deutschen Volke in der Bukowina einen Dienst zu erweisen, denn im eiligen Lauf der Jahre und Jarzehnte hat schon mancher von uns vergessen, woher er stammt, wie seine jetzige Heimat geworden, hat vergessen, wessen Blutes er ist und welche Pflichten ihm aus seinem deutschen Blut erwachsen.
Es war in den dreißiger Jahren des vergangenen Jahrhunderts. In den Wäldern des böhmischen Fürstentums Schwarzenstein werkte ein hartes Geschlecht von Holzfällern, die sich mit Holzschalf und ein bischen Landwirtschaft, mit einer Kuh oder einer Ziege kümmerlich durchs Leben scvhlugen. Kaiser Josef hatte öfters auf Jagdausflügen das Land besucht und kannte den Fleiß und die Arbeitskraft der braven deutschen Böhmen von Schwarzenstein. Da kam ihm der Gedanke, dieser Leute in der noch wenig besiedelten Bukowina ansäßig zu machen. durch das zuständige Ministerium ließ er also den Leuten in Schwarzenstein das Angebot machen, mit ihren Familien in die Bukowina zu ziehen. Es meldeten sich darufhin eine Anzahl Familien, die die Reise nach Südosten antreten wollten. Ihne schloßen sich bazrische Familien an, die auf die gleiche Weise zur Siedlung in der Bukowina geworben worden waren. Man versprach ihnen baldige Landanweisung in einem Ort names Goman-Goman, der zwischen Solka und Clit gelegen war.
Die Schwarzensteiner Holzschläger waren ein armes Volk und zur Reise hatten sie nicht etwa Pferde. Mit Handwägelchen, auf denen ihr kümmerlicher Hausrat und die kleineren Kinder unterbracht waren, und einer ordentlichen Portions Gottvertrauen machten sie sich auf die beschwerliche Fahrt. Wenn es hochkam, hatte einer der mutigen Auswanderer einen starken Hund vor sein Wägelchen gespannt. Ueber Berg und Tal, durch Regen und Hitze wanderten sie sechs Wochen lang, bis sie in Radautz ankamen. Hier fanden sie einige Bekannte und ruhten sich vn den Strapazen der Reise aus. Die Pause bis zu der versprochenen Ansiedlung füllten die Männer mit Taglohnarbeit aus. Dann aber machten sich einige Bevollmächtigte der Ansiedler nach Solka auf und sprachen bei dem dortigen Verwalter vor. Dieser aber mußte nichts von einer Ansiedlung bähmischer Holzfäller und fragte, wer sie den geschickt habe. Ihren Hinweis, daß sie durch den Kaiser und das Ministerium zur Auswanderung beranlaßt worden seien, beantwortete der Verwalter, names Koch, Mit einem leichtfertigen Lächeln und dem Bescheid, daß der kaiser weit sei, daß er der Verwalter, in dieser Gegend selfst der Kaiser sie und das Land für seine Leute allein brauche. Die Siedler kehrten sodo in recht gedrückter Stimmung nach Radautz zurück und waren nun gezwungen, weiter als Tagelähner sich und ihre Famlien vor der not zu schützen. Der Zustand wurde jedoch von Tag zu Tag unerträglicher, und so ging einige Zeit später wiederum eine Abordnung zu dem Verwalter nach Solka ab und machte ihm dringende Vorstellungen, ihen doch endlich ein Stücklein Land zu geben. Mit wegwersenden Worten wies er sie in die Gegend unsers heutigen Dorfes Schwarzthal.
Diese Gegend war nämlich noch vällig unbewohnt und unkultiviert. Dichter Urwald bedeckte die Höhen und Täler, nur ein schmaler Jägersteig führte entland des Baches durch den dunklen Forst auf die Berge. Eine Siedlung hier anzulegen erschien zunächst vollkommen unmöglich, und da sich die Schwarzensteiner auch des Versprechens des Ministeriums erinnerten, daß sie ordentliches Land zum Anbau erhalten sollten, weigerten sie sich nach Schwarzthal zu gehen und forderten aufs neue von dem Verwalter, ihnen ihr Recht zu geben. Aber alle Interventionen waren umsonst. Sie setzten also ihre Tätigkeit in Radautz fort und warteten. Niemand kümmerte sich um sie. Wohl untersuchten sie einige Male die ihnen von dem Verwalter angewiesene Gegend Schwarzthal, kehrten jedoch bald wieder aus dem dunklen Waldgebiet enttäuscht und müde zu ihren Trauden und Kindern in Radautz zurück. Allmählich wurde die Arbeit auch in Radautz knapp, und das Häuslein Auswanderer faßte den heroischen Entschluß, die Ansiedlung in Schwarzthal zu versuchen. Sie packten also wider ihren Hausrat auf ihre Wägelchen und zogen damit in den Wald. Schrecklich waren die ersten Nächte in dem finsteren wilden Wald, bis man sich notdürstige Hütten aus Stangen und Reisig als vorlüufigen Schutz gegen das Wetter aufgerichtet hatt. Sechs Jahre waren seit ihrer Ankunft in der Bukowina im Jahre 1836 vergangen, und nun standen die armen Leute erst recht vor dem Nichts. Aber ihr Lebensmut war ungebrochen. An dem Jägersteig, der den rauschenden Bach durch den Grund begleitete, bauten sie Hütten, in denen zunächst mehrere Familien wohnten. Männer rodeten in gemainsamer Arbeit den Wald und schufen freie Plätze für ihre Hüuser und ein kleines Stückchen Land zum Anbauen. Bald aber waren die wenigen Spargroschen von der Taglähnerarbeit in Radautz aufgebraucht, und sie mußten ihre Arbeit im Wald unterbrechen, um sich ein wenig Geld zum Weiterbauen zu erarbeiten. Auf der Arbeitssuche kamen sie bis Dorna. Wenn sie wieder ein paar Zwanziger verdient hatten, kehrten sie zurück in ihr Wald… (Waldhütte?) und behannen aufs neue. Für einen “Zwanziger” bekamen sie ein Viertel Kukurutz (ca 25 Kilo), mit dem sie ihre Familien vorerst kümmerlich ernährten. Mutig setzten sie ihre Arbeit fort. Sie fällten den Wald und was sie nicht von dem Holz zum Hausbau verwandenkonnten, verbrannten sie auf großen Haufen. Mit der Asche bestreuten sie den gewonnenen Boden, der an sich schon sehr fruchtbar war. Ihre Häuser bauten sie vollkommen aus Holz auf. Ein solches Haus besaß manchmal keinen einzigen eisernen Nagel. Das Dach war mit Spaltschindeln gedeckt, die zum Schutz gegen den Sturm mit großen Steinen beschwert wurden. Die jungen Saaten wurden mit Zäunen aus zusammengedrehten Fichtenästen zum Schutz gegen das Wild umgeben. Die Fenster waren ganz kleine Lucken. Allmählich hatte jede der 41 anfänglich vorhandenen Familien ihr Haus und ihr Grundstückö ein Geometer names Altvater legte ein Grundbuch der Gemeinde Schwarzthal an. Der Boden trug reiche Früchte, und mit den Jahren legte man eine geringe steuer auf, eine zweite Straße wurde gebaut, etwas weiter entfert von Bache, um sie vor Hochwasserschäden zu schützen. An dieser Straße entstanden dann etwa 1855 neue Häuser.
Für die Kinder wurde ein Schulunterricht eingerichtet, den ein Schwarzthaler selbst erteilte, da man keinen Fremden bekommen konnte. Die Kinder wurden jeden Tag in dem Hause eines anderen Besitzers unterrichtet, denn ein Schulgebäude stand noch nicht. Erst im Jahre 1863 ging man an den Bau eines Schulgebäudes. Ein Kirchlein hatte man bereits im Jahre 1857 ganz aus Holz aufgerichtet.
Auf ihrem Acker bauten die Schwarzthaler noch immer nur Kartoffeln, Rüben Gerste, Erbsen, Kukurutz und Flachs. Ihre Kleidung bestand ausschließlich aus hausgewebtem Leinen, ein wohlhabenderer Bursch hatte vielleicht zur Hochzeit einen Anzug aus Ruch. Das Flachs verkaufte man auch und schaffte Schafe und Rindvieh an. Mit dem Fuhrwek führten sie die aus bestem Holz verfertigten Spaltschindeln bis tief ins Flachland und verkauften sie pro 1000 Stück für 40 Kreuzer (ca. 40 Lei). Der Lebenstand der Schwarzthaler hob sich, Handel und Mandel begannen zu blühen, Wassersägen wurden eingerichtet und das Holz nach auswärts verkauft. Die erste Säge bauten Johann Seemann und Georg Brandtl im Jahre 1862. Die ärmeren Leute gingen Asche brennen, die sie dann in die damals zahlreich bestehenden Potaschehütten verkauften. Schon im Jahre 1866 aber wurde in Schwarzthal auch eine solche Potaschhütte gebaut, in der bis zum Jahre 1875 Potasche gekocht wurde. Die erste Wassermühle erbaute Franz Bernhauser im Jahre 1868. Im Mai des jahres 1885 bach in der Gemeinde ein großes Feuer aus. Zu beiden Seiten des Dorfes brannte der Wald. Glücklicherweise konnten die Häuser der Einwohner gerettet werden.
Die erste Fabrik usneres Dorfes entstand 1889 im Oberdorf, wurde aber nach 12 Jahren in das Unterdorf umgeleggt, wo sie weitere 11 Jahre in Betrieb blieb.
— So weit habe ich unsere Geschichte von den Alten am trauten Winterabend erlauscht. Die Geschlechter kommen und gehen. Vergessen ist der vberzweifelte Daseinskampf unsere Urgroßväter. Das Wanderblut aber, das einst dei schwarzensteiner Bähmen und Bazern in die weite Welt getrieben hat, rumorte weiter in den Adern ihrer Kinder. Immer wieder sind Schwarzthaler aus ihrem Heimatdorf hinausgezogen in andere Orte der Bukowina, nach Zahareschti, nach Dumbrava, nach Gladiora, Stulpicani, Kimpolung, Gurahumora, Frassin und weitere hinaus über den großen Teich nach den Vereinigten Staaten von Amerika, nach Kanada udn Brasilien. Wären all dieser Auswanderer daheim geblieben, dann wäre Schwarzthal heute viermal so groß.
Die Wanderlust unsere Schwarzthaler verhinderte aber nicht, daß sie mit Liebe and ihrere schwer erkämpsten Heimat hängen. Regsamkeit ist auch heute noch bezeichnened für unser Dorf. Immer wieder läßt sich ein Zeugnis davon geben: Im Jahre 1905 bauten unsere Schwarzthaler eine zweite Kirche und erst im letzten jahre entschlossen sich die Schwarzthaler Kirchenväter trotz Not und Elend der Zeit, dieser Kirche ein feines Gewand zu geben, daß das Gotteshaus auch Zeuge von dem staken Glauben unsers Dores sei. Und so möge unser liebes Schwarzthal auch weiter leben und blühen.
Mathias Hoffmann, Schwarzthal