Dann gings fort von Ort zu Ort, quer durch das Gebiet, der heutigen Tschechoslowakei. Budweiss, Iglau, Brünn, Olmütz, Teschen wurden berührt. Man meldete sich in den Städten bei den Behörden, liess sich auf den Reisepass einen Stempel aufdrücken und zog weiter gegen Galizien zu. Oben im Norden lag Krakau, die Stadt, die der Nürnberger Meister Stoss Veit so herrlich mit dem Dom schmückte, die Stadt, die schon im Jahre 1257 deutsches Stadtrecht erhielt. Viel deutsches Blut war in diesen Gegenden seit dem Mittelalter im Polentum untergegangen, das von der Ostbesiedlung allein den Nutzen zog. Auf Galiziens bald staubigen, bald vom Regen aufgeweichten Landstrassen zogen unsere Deutschböhmen dahin, hinein in die weite, für das deutsche Auge, und besonders für den Wäldler, so trostlose Gegend, wo nur selten ein kleiner Hügel oder ein Stück Wald das Auge des Reisenden erfreut. Acht bittere Wochen vergingen, bis die Wanderer in der Bukowina ankamen. In Radauti, Clit und Solca warteten sie, bis der kaiserliche Verwalter ihnen Grund und Buden anwies. Sie mussten leider viele Monate ausharren uni ihr Leben mühsam durch Taglöhnerarbeit fristen. Man hatte viel versprochen, aber wenig gehalten. Auf das öftere Drängen und Mahnen der Siedler beim staatlichen Verwalter Koch im Solca, nun endlich das versprochene Land anzuweisen, hatte dieser nur das Wort übrig: „Der Himmel ist hoch, der Kaiser ist weit, und hier bin ich Herr.” Den Deutschböhmen wies man dann endlich das weltabgelegene Urwaldgebiet im hinteren Humoratal an. Unsere Siedler mussten ganz von vorne anfangen. Um wie viel besser ging es achtzig Jahre vorher unter Kaiser Josef den Ansiedlern in Galizien! Dort wurde im allgemeinen alles vorbereitet. Die Siedler brauchten nur kommen und sich in die fertigen Häuser setzen. Sogar die Inneneinrichtung fehlte nicht, Ackergeräte standen zur Verfügung. Vieh war da, bebaubares Land ringsum. Kein Wunder, dass die Leute heute noch sagen: „der Kaiser hat uns sogar die Löffel gegeben.” So wie damals um die Mitte des 18. Jahrhunderts war niemals mehr eine staatliche Besiedlung vorbereitet und gefördert worden. Die Deutschböhmen bekamen nur das Land - und das war Urwald. Nicht ein Flecken bebaubarer Boden war zu sehen. Erst musste der Wald an den Talhängen fallen, und das kostete eine Riesenarbeit. Ein anderes Volk hätte die Strapazen nicht ertragen. Man wusste vonseiten der Behörden genau, warum man gerade die Deutschböhmen in diese Gebiete gerufen. Die Schwaben hätten sich nie da niedergelassen. Sie kamen aus einem schon überzivilisierten Gebiet Deutschlands und stellten daher an das Leben schon grössere Anforderungen. Tief drin im Böhmerwald.
So waren die Deutschböhmen die richtigen Menschen zur Kolonisation der Bukowina. Sie kamen aus dem Wald und gingen wieder in den Wald. Er gehört zu ihnen wie der Schatten zum Licht. Die Besiedlung Unsere Deutschböhmen kamen nach ihren eigenen von den Einwanderern her überlieferten Angaben aus folgenden Orten Böhmens: Zottelberg, Schinhofen, Aussergefild, Rehberg, Grünberger Hütte, Roteisenburg, Welischbürgen, Sass und Schneewiesen. Eine Familie namens Fiber stammte aus Bayern. Sie hielt es jedoch in dem rauhen Waldtal nicht lange aus und zog wieder weiter. Der erste, der sich im Gebiet der heutigen Gemeinde niederliess, war Jokl Kisslinger. Als er ankam, baute er sich eine notdürftige Hütte auf einer kleinen Waldwiese. Noch heute nennt man jenen Flecken die „Joklhütten.” Hier seien nun die Namen der Ansiedler nach den Angaben des noch leben den, 86 Jahre alten Wenzel Hackl angegeben: Stefan Honers, Andreas Klostermann, Leopold Schuster, Anton Beer, Georg Hofmann, Andreas Lang, Johann Beutel, Adam Herzer, Georg Neuburger, Josef Flachs, Wenzel Reitmajer, Josef Lang, Georg Hellinger, Ignaz Rankl, Andreas Hartinger, Josef Weber, Johann Hable, Andreas Lang, Günther Stör, Andreas Weber, Karl Reitmajer, Josef Heiden, Mathias Eigner, David Fiber, Georg Binder, Wenzel Rach, Anton Tischler, Franz Schelbauer, Josef Lang, Andreas Winzinger, Mathias Fuchs, Wenzel Kisslinger, Martin Reitmajer, Jakob Kufner, Anton Landauer, Sebastian Baumgartner, Josef Lang, Wenzel Hackl (Vater des noch lebenden 86 Jahre alten W. H.) Stefan Schuster, Johann Fuchs, Adalbert Fuchs und Josef Buganiuc (Slowake). Zusammen waren es also 42 Familien im deutschen Teil des Dorfes. Wälder fallen. Der Urwald barg in seinen Tiefen ein üppiges Tierleben. Füchse und Rehe gab es in Fülle, und das Brüllen der Hirsche erschütterte die Einsamkeit der neuen Siedlung. Die Holzhauer stiessen in den dichten Waldungen auf Luchse, und dann und wann auf einen Bären. Im Winter trieben die Wölfe ihr Unwesen. Alte Leute wissen nach zu erzählen, dass in einer Nacht ganz in der Nähe des Dorfes 14 Hirsche von Wölfen zerrissen wurden. Und die Wölfe, denen die menschlichen Wohnungen etwas neues waren, besuchten des Nachts oft die Gehöfte und sollen sogar zu den Fenstern hineingeschaut haben. „Oft heulten sie, dass man meinte, eine Musikkapelle spiele im Wald”. Im Humorabach wimmelte es von Forellen. Die alten Leute erzählten, dass man sie nicht fing, sondern totschlug. Hartes Leben Die Regierung stellte den Kolonisten zunächst aus der Moldau bezogenes Vieh zur Verfügung, das später durch eine hochwertigere Rasse aus den österreichischen Landen ersetzt wurde. Das Feld lieferte Kartoffel, Korn und Flachs, in den Gärten pflanzte man das notwendigste Gemüse. Der Kukuruz jedoch, den die Deutschböhmen erst in der Bukowina kennen lernten, gedieh in dem frischen Waldtal nicht. Wenn man mit den ältesten Leuten des Ortes spricht, so geht aus all ihrem Erzählen immer wieder das eine hervor: Die ersten Jahre waren eine furchtbare Notzeit. Gesuche an den Kaiser im Jahre 1847 und 1848 bezeugen die jammervolle Lage der Siedler. Das Jahr 1846 war ein Missjahr. Die Kartoffel verfaulten auf den Äckern durch den lang anhaltenden Regen, die Siedler mussten zu alledem noch Steuern zahlen. Sie waren nicht, wie viele andere Gemeinden, die ersten Jahre steuerfrei. Grosse Sorge machte den armen Kolonisten die Erhaltung einer militärischen Grenzwache. Am Schlusse ihres ungemein flehentlich gehaltenen Gesuches erbitten die Deutschböhmen um die Entsendung einer unparteiischen Kommission, die die Hilfsbedürftigkeit der Gemeinde untersuchen solle. Die Deutschböhmen mussten wenig in dem neuen Lebensraum dazulernen. Alles war, nachdem einmal die Häuser standen, ähnlich wie zu Hause in Böhmen. Fast jeder Siedler war auch Handwerker. Er verstand den Hausbau, machte sich seine Schuhe selber aus Ahornholz, verfertigte Holzschüsseln und Löffel, die Hausfrau spann mit ihren Töchtern den selbst angebauten Flachs, und der Mann konnte mit dem selbst gezimmerten Webstuhl umgehen. In den langen Winterabenden trafen sich einzelne Gruppen mit den „Radeln und Rupfen”. Da waren dann Mund und Hände eifrig an der Arbeit. "Das Licht lieferten Buchenspähne, die vorher im Ofen gut getrocknet worden waren. Später spendeten Unschlittlichter die Helligkeit, bis schliesslich das Petroleum seinen Siegeszug antrat. Elektrisches Licht gibt es bis heute noch nicht in P. M., obwohl es mit Hilfe des Humorabaches nicht allzu schwer sein dürfte, ein kleines Elektrizitätswerk zu schaffen, das wenigstens für die frühen Abendstunden Licht spenden würde. In den Spinnstuben hörten die Kinder der Siedler von der deutschböhmischen Heimat, von der grossen Not am Anfang, und manche können heute noch die kleinsten Einzelheiten erzählen, die in solchen gemeinschaftlichen Stunden zur Sprache kamen. Eine kleine Begebenheit, die sich gleich bei der Ankunft der Deutschböhmen in Rädäuti, abgespielt haben soll sei hier erwähnt: Einer der Kolonisten besass einen Hund, der zum Tabakholen abgerichtet war. Schon in Böhmen hatte das Tier seinem Herrn regelmässig die Botendienste in die Tabaktrafik getan. In Rädäuti wurde der Hund mit der neuen Trafik bekannt gemacht, und nach einiger Zeit schickte der Herr seinen Hund allein fort, den Tabak zu holen. Der Hund jedoch kehrte erst nach acht Tagen, zu Tode gehetzt, zurück er hatte den Tabak in Böhmen gekauft, wie er das schon jahrelang gewohnt war. Dem Päckchen lag ein Brief des böhmischen Kaufmanns bei mit vielen Grüssen und der verwunderten Frage, warum er denn nicht ein paar Zeilen durch den Hund überbracht habe - - - Wer nicht arbeiten konnte, der hätte unmöglich in einer derartig primitiven Kolonie längere Zeit bleiben können. Und wer nicht entbehren gelernt hatte, der hielte es ebenfalls nicht lange aus. Der Verdienst der Leute war derart gering, dass man sich wundert, wie Menschen damit auskommen konnten. Der Verkauf von Pottasche, Schindeln und Resonanzholz, das man nach Österreich ausführte, brachte nur ein Weniges ein. Auf dem Tisch waren Mamaliga und Kartoffeln die hauptsächlich vorkommenden Speisen. Das Getreide, das zum Mahlen 24 km zur Mühle in Arbora gebracht werden musste, reichte nicht aus, dass die Hausfrau jeden Tag mit Brot aufwarten konnte. Im Sommer ersetzte ein Krug kühler Sauermilch den Wein und das Bier. Diese Einfachheit ist im allgemeinen bis heute beibehalten worden, und die Leute fühlen sich wohl und gesund dabei. Der Väterglaube Die nett entstandene Gemeinde wurde pfarrlich Gurahumorului zugeteilt. Sobald die Gemeinde einigermassen aus dem Ärgsten heraus war, dachte man an den Bau einer Kirche. Es genügte den Leuten nicht, dass der Priester alle 1-2 Monate von Gurahumorului heraufkam, sie wollten den Priester unter sich haben. Bald stand eine einfache Holzkirche fertig da. Schon im Jahre 1850 reichten die Deutschböhmen ein Gesuch ein, dass man ihnen ihre Gemeinde zu einer Pfarrgemeinde machen solle. Der Priester Josef Szabo, der ein tief religiöser und selbstloser Mensch gewesen zu sein scheint, wirkte schon vor der Selbstständigkeit der Pfarrei unter den Deutschböhmen und Slowaken. Der Kaiser spendete auf eine Bitte hin 500 fl. zum Bau der Kirche. Im Jahre 1896 war die heutige Steinkirche, eine der sckmucksten Dorfkirchen unserer Bukowina, vollendet. Wir werden im nächsten Kalender eine ausführliche Geschichte der Pfarrei Poiana Micului aus berufener Hand bringen. Raumnot Kaum zehn Jahre sind es her, dass die Deutschböhmen aus Poiana Micului in Dumbrava im Altreich, hart and der Grenze der Bukowina, eine neue Kolonie geschaffen haben, deren Entstehungsgeschichte im Kalender 1936 genau beschrieben ist. Ungefähr 12 Familien fuhren im Jahre 1887/88 mit anderen Bukowiner Deutschböhmen übers Meer. Nach, endloser Fahrt stiess man an die Küste Südamerikas. 50 Jahre sind seitdem vergangen, und die damaligen Siedler und ihre Nachkommen feierten voriges Jahr das 50. Jubiläum des Aufbaues der deutschen Kolonie Passa Tres. Wir lesen darüber in der deutschen Zeitung, die in Curityba (Brasilien) erscheint in Nr. 78/1937 folgendes: „Die erste Einwanderergruppe im Jahre 1887 bestand aus den Familien Johann Baumgärtner, Karl Schelbauer, Franz Schelbauer, Johann Schelbauer, Jakob Ranke und Johann Neuburger. Viele der alten Einwanderer aus den Jahren 1887 und 1888 leben heute noch und haben in voller Rüstigkeit an den Jubiläumsfeierlichkeiten teilgenommen. Wir nennen hier nur einige Namen wie Jakob Fuchs, Ignaz, Josef und Ambros Schelbauer, Ignaz Maidl und andere, die weit und breit bekannt sind und überall einen guten Klang haben. In rührender Verehrung hängen die Deutschböhmen an ihrem Glauben, an ihren alten Gebräuchen. Noch heute werden in den Familien alte Werkzeuge und Geräte aufbewahrt und in Ehren gehalten, die sie aus der Bukowina mit herübergebracht haben, noch heute verrichten sie ihre alten Gebete und singen sie die alten Kirchenlieder, die sie in der Bukowina lernten, und noch heute erweisen sie am Familientisch und an ihren Festtafeln den schmackhaften Bukowiner Gerichten die gebührende Ehre. Es ist ein kerniges deutsches Bauerngeschlecht, und man kann nur wünschen, dass sie auch in Zukunft allezeit so treu an ihrer kernigen, schlichten Art, an Glauben, Sprache und den guten schönen Vätersitten festhalten mögen." Volkstum Die Spinnstuben und die Unterhaltungen an den Sonntagnachmittagen bilden eine Art literarisches Büro, von wo aus derlei Dinge bis ins letzte Hans getragen werden. Der Deutschböhme singt für sein Leben gern. Das hat er den Vögeln des Waldes abgelauscht. Das Volkslied wird eifrig gepflegt. Und da hinten in Humoratal können sie noch richtig jodeln. Und sicher hat der Herrgott eine Freude an dem Christmettenjodler, den die Deutschböhmen am vorletzten Weihnachtsfest zum ersten Mal in der Kirche erklingen liessen. Wer nach PM kommt, sollte es nicht versäumen, den 86 Jahre alten Wenzel Hackl aufzusuchen, und ihn um den Vortrag eines Jodlers zu bitten. Er wird feststellen, genau wie die deutschen Studenten, die die Jodler und Volksweisen des Greises auf Schallplatten aufgenommen haben, dass das Alter dem Schmelz seiner Stimme nichts anhaben konnte. Zum Schluss
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