Ein Bukowiner findet die Heimat seiner
Ahnen
Wenzel Hoffmann
Katholischer Volks- und Hauskalender
für die Bukowina,
(Czernowitz, 6/1939), S. 61-62.
Veröffentlicht im World-Wide-Web
durch die Bukovina Society of the Americas,
5. August, 2004
Es war im August 1917. Ich war vom Feld zum Ersatzkader nach Lemberg
abkommandiert worden. Dort erhielt ich den Auftrag, 12 Mann in die
Zementfabrik Floridsdorf bei Wien zu bringen. Am Lemberger Bahnhof fragte
ich den diensthabenden Offizier, einen polnischen Oberleutnant, wo denn
eigentlich Floridsdorf liege. Er meinte, es müsse in Böhmen liegen. Auch der
Schaffner, den ich im Zug fragte, erklärte mir, Floridsdorf sei irgendwo in
Böhmen. So erkundigte ich mich denn nach meiner Ankunft in Wien nicht lange
nach Floridsdorf, sondern fragte nur, wann der nächste Zug nach Prag gehe
und fuhr mit meinen 12 Mann weiter. Nach einigen Stunden erschien ein
Schaffner und fragte nach unserem Marschziel. Ich nannte Floridsdorf. Der
Schaffner, ein Tscheche, der nicht gut Deutsch konnte, sagte ein Ort dieses
Namens sei ihm nicht bekannt, doch müsse der Ort wohl im Böhmerwald liegen,
wo alle Dörfer und Städte deutsch seien. Nun ging es wieder viele Stunden
lang dahin.
Ein neuer Schaffner kam, ein
Deutschböhme. Auch er fragte nach unserem Ziel. Als ich ihm Floridsdorf
nannte und unsere bisherige Marschroute angab, nannte er mich einen Narren,
und sagte ich sei doch durch Floridsdorf gefahren. Nun erzählte ich ihm vom
Oberleutnant und den verschiedenen Schaffnern, die mich alle auf diesen Weg
gewiesen hätten. Darauf zog er feierlich den Narren zurück. Der Oberleutnant
und die Schaffner seien Esel.
An der nächsten Station, Hirschberg,
wurden wir abgesetzt, um auf den Zug zu warten, der uns nach Wien und damit
nach Floridsdorf zurückbringen sollte.
Um die Zeit zu vertreiben und den Ärger
zu ertränken, gingen wir in ein nahegelegenes Wirtshaus. Bald war ein
Gespräch mit dem Wirt im Gange. Da ich mich erinnerte, dass meine
Grosseltern aus dieser Gegend Böhmens in die Bukowina ausgewandert waren,
fragte ich den Wirt, ob hier in der Nähe Leute wohnten, die Hoffmann hiessen.
Der heisse selber Hoffmann, sagte er. Er habe auch eine alte Hauschronik,
die schon an die 200 Jahre alt sei, vielleicht könnte man daraus etwas
sehen. Er holte das alte Buch und wir fanden zu unserer Freude und zu
unserem Staunen, dass mein Grossvater mit 2 Brüdern und manchen anderen von
dort im Jahre 1831 über Galizien in die Bukowina ausgewandert war. Nach
ungefähr 4 Monaten kam ein Schreiben von ihm aus Radauti (Radautz) an, in
welchem er sich beklagte, dass sie nach so vielen Mähen und Strapazen wohl
in die Bukowina gekommen seien, dass man sie aber so lange auf das
versprochene Siedlungsland warten lasse. Nach einem Jahr kam nochmals ein
Brief, dass ein Bruder in Radauti (Radautz) verbleiben, die anderen nach
Gurahumorului (Gurahumora) übersiedelt seien. Vort wanderte dann mein
Grossvater um 1841 nach Vadul Negrilesei (Schwarzthal).
Dieses grosse alte Gasthaus war also die
Heimat meiner Ahnen gewesen und der Wirt war ein Verwandter von mir.
Natürlich habe ich mit meiner ganzen Mannschaft dort gut gegessen und auch
ein Glas über den Durst getrunken. Viel zu schnell vergingen jetzt die
Stunden, die wir vorher als langweilige Wartezeit verwünscht hatten. Nach
einem herzlichen Abschied bestiegen wir den Zug, und ich lieferte mit einer
zwanzigstündigen Verspätung meine 12 Mann in Floridsdorf ab und fuhr wieder
nach Lemberg zurück.
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A Bukovinian Finds the Hometown of
his Ancestors
by Wenzel Hoffmann
“Ein Bukowiner
findet die Heimat seiner Ahnen,” Katholischer Volks- und Hauskalender
für die Bukowina,
(Czernowitz, 6/1939), pp. 61-62.
trans. and ed. by Dr. Sophie A. Welisch
Posted on the World-Wide Web by the
Bukovina Society of the Americas on
August 21, 2002
In was August 1917. I was sent from the
field to the [military] relief unit in Lemberg [Lvov, Galicia]. There I received
the order to escort twelve men to the cement factory in Floridsdorf near Vienna.
At the Lemberg railroad station I asked a commanding officer, a Polish first
lieutenant, where Floridsdorf was located. He thought it must be in Bohemia. The
railroad conductor, with whom I talked in the train, was also of the opinion
that Floridsdorf lay somewhere in Bohemia. So shortly after my arrival in Vienna
I asked when the next train departed for Prague and traveled on with my twelve
men. After several hours a conductor appeared and asked about our destination. I
replied “Floridsdorf.” The conductor, a Czech who did not know German well,
replied that he did not know of such a place, but it must lie in the Bohemian
Forest, where all villages and cities are German. We then traveled on for many
hours.
A new conductor came on board, a German
Bohemian. He also inquired about our destination. When I told him Floridsdorf
and detailed our previous route, he called me an idiot and said I have already
passed Floridsdorf. I then told him what the first lieutenant and the various
conductors had said, who all had advised this route. Thereupon he roundly
berated the first lieutenant and the conductors, calling them asses. We got off
at the next station, Hirschberg, to await the next train back to Vienna and thus
to Floridsdorf.
In order to kill time and assuage the
frustration, we went to closest restaurant. Soon thereafter we entered into a
conversation with the waiter. Since I remembered that my grandparents had
immigrated to Bukovina from this region of Bohemia, I asked the waiter if here
in the vicinity there are people with the surname of Hoffmann. He himself was
named Hoffmann, he replied. He also had a 200-year-old family chronicle, which
perhaps could yield some information. To my delight and amazement I found that
according to this old book my grandfather with two brothers and several others
had emigrated from there to Bukovina via Galicia in 1831.After about four months
a letter from my grandfather had arrived from Radautz in which he complained
that after so much stress and strain they had arrived in Bukovina but that they
[the authorities] had still not allotted them the land which had been promised
for settlement. After a year they received another letter with the news that one
brother had stayed in Radautz and the others had relocated to Gura Humora. In
1841 my grandfather then relocated to Schwarzthal.
This big old restaurant was in the hometown
of my ancestors, and the waiter was my relative. Naturally all my men and I
dined well and also imbibed at bit to quench our thirst. The hours, which I had
earlier thought would be boring, passed far too quickly. After hearty farewells
we boarded the train and after a twenty-hour delay, I delivered my twelve men to
Floridsdorf before returning to Lemberg.
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