Kultur Kiosk
Dr. Claus Stephani - 29.
Dezember, 2002 (in email zu webmaster)
„Ein
glücklich neues Jahr – ein besseres als das alte war!“
Zipser Neujahrswünsche
In den Zipser Siedlungen
der Südbukowina (heute Verwaltungskreis Suceava/Sutschawa) wurde noch bis in die
siebziger Jahre des 20. Jhs. eine Reihe von überlieferten Neujahrsbräuchen
gepflegt.
So gingen in der
Neujahrsnacht oder manchmal auch erst am Neujahrsmorgen die Buben, von Haus zu
Haus, zu Nachbarn und Bekannten, überall dorthin, wo Zipser wohnten, „onbinschn“
(„anwünschen“). Dabei wurden oft folgende Sprüche aufgesagt, die wir hier in der
alten Mundart wiedergeben, wo anstelle des Buchstabens „w“ ein „b“ steht und
auch so ausgesprochen wird:
Mir binschn dem
Zipser ins Haus
a glicklich
Neies Jahr,
a bessres bie
das alte bar,
a grienen Hut,
Geld und Gut,
saures Kraut
und ane Praut
(das sagte man, wenn der Mann noch nicht
verheiratet war; wenn er Witwer war, fiel diese Zeile ebenfalls weg)
Salz und Fisch
und Bein (Wein)
am Tisch.
Loßt mich nit
stehn,
gebt mir bas,
muß beiter gehn.
Dann bekamen die „anbinschenden“ Buben
Nüsse, Äpfel und manchmal auch eine Geldmünze oder eine kleine
Süßigkeiten.
(Aufgezeichnet 1972 in
Jakobeny /Iacobeni/, Emma Zufenig, Hausfrau.)
Ein beliebter und
in verschiedenen Varianten weitverbreiteter Neujahrswunsch, der auch bei den
Zipsern in der Stadt Oberwischau (Viseu de Sus, Kreis Maramuresch) bekannt war
und dort auch heute noch lebendig ist, lautet:
Ich bin a klaaner
Kenig,
gebt mir nit zu wenig,
gebt mir nit zu
viel,
daß ich nix verlier.
Ich binsch a glicklich Neies Johr,
a bessres bie das alte bar,
Fried und Freid,
Einigkeit, Glückseligkeit!
Ihr sollt lang leben,
jetzt kennt ihr mir bas gebn!
(Aufgezeichnet 1971 in Mariensee
/Cîrlibaba Veche/, Ludwig Borkutean, ev. Kirchenkurator, Flößer, Waldarbeiter.)
In einem anderen
Neujahrsspruch, der 1972 in Freudenthal (Valea Stînei) aufgezeichnet und uns vom
Holzarbeiter Johann Schneider, der auch ein hervorragender Erzähler war,
mitgeteilt wurde, heißt es:
Ich binsch, ich
binsch,
ich bas nit bos,
hinterm Ofn (Ofen) hockt a Hos (Hase),
auf dem Bankl lauft a Maus,
nemmts a Besn,
jagts mich raus.
Der Fabriksarbeiter
Rudolf Sinkenthaler, den wir 1972 in Poschoritta/Pozoritta (Pojorîta) besuchten
und nach Zipser Brauchtum befragten, erinnerte sich:
„Zu Neijahr die
deitschen Kinder sind gangen von Haus zu Haus und haben ihre Sprich gesagt:
Ich bin a klaaner Pinkel,
ich stell mich in den Winkel,
und weil ich nix kann,
fang ich auch nix an.
Dann haben sie
bekommen Geld – damals gab es noch Greizer –, auch zum Essen und zum Trinken. So
sind sie gegangen von einem Haus zum andern. Man hat immer gewartet, zuerst
sollte ein Bub kommen, nicht ein Madl, denn ein Bub, das hat bedeutet Glick!“
Die Zitate und der
Originaltext von R. Sinkenthaler (Tonbandaufzeichnung) entnahmen wir dem Buch
von Brigitte Stephani; Zipser Kinderwelt in Nordrumänien. N.G. Elwert
Verlag: Marburg (Deutschland), 1989 (Schriftenreihe der
Kommission für ostdeutsche Volskunde, Bd. 46, ISBN 3-7708-0926-2).
Mit diesen Wünschen
aus einer längst vergangenen Zeit, deren schlichte Güte und Freundlichkeit uns
heute seltsam berührt, wollen wir alle Zipsern aus der Bukowina, wo immer sie
jetzt leben, nach altem Brauch herzlichst grüßen.
Dr. Claus Stephani, Baldham/München
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