Grenzübergang war die Brücke

Zur Entstehung der Zipser Siedlungen bei Cirlibaba

Neuer Weg (Bucharest), Vol. 31, Nr. 9232, January 23, 1979, S. 6
von Dr. Claus Stephani

Veröffentlicht  2 April 2004


Gegen Ende des 18. Jahrhunderts, 1797,wurde am linken Ufer der Goldenen Bistritz, in der Nähe des damaligen Weilers Cirlibaba (Kirlibaba) durch den Steiermärker Grossgrundbesitzer und Industriellen Karl Manz Ritter von Mariensee ein Silber- und Bleibergwerk eröffnet. Am Ufer des Kirlibabaflüsschens befand sich um 1800 das Wasch- und das Schmelzwerk des Manz’schen Betriebs.

Laut mündlicher Überleiferung (Joseph Kirchdraufer, Anton Wonthus, Alois Beldinger) sollen die ersen deutschen Bergleute und Handwerker die Manz nach Kirlibaba rufen liess, aus den Zipser Ortschaften Käsmark (Kezmarok), Bobschau (Bobsina), Bartfeld (Bardejob), Deutschproben (Nemećka) gekommen sein. Es waren die Vorfahren der Familien Hodel, Baierl, Hielbel, Lerch, Beldinger, Keil, Gärtner, Knoblauch (auch Knobloch), Watzin, Feig, Reiss, Schwartz, Oswald, Gailing, Wonthus (auch Gwondhus, d.h., “Gewandhaus”), Feil (auch Pfeil) und Greck. Zipser wanderten jedoch auch aus anderen, ausserhalb der historischen Zips (Slowakei) liegenden Ortschaften ein, so z.B. aus Oberwischau, Kapnik-Oberstadt, Jakobeny. Auf die Zipser Herkunft der ersten deutschen Ansiedler am oberen Lauf der Goldenen Bistritz verweisen auch einige Beinamen, die heute noch bekannt sind: “Dobschauer” (Beiname der Familie Wenzel), “Bartfelder” (Gärtner), “Kaschauer” (Wonthus), “Probener” (Beldinger), während z.B. der Familienname Kirchdraufer vom Zipser Ortsnamen Kirchdrauf abgeleitet worden ist.

Karl Manz liess jedoch zwischen 1810 -1820, deutsche Facharbeiter auch aus Oberschlesien (Tscherwensky, Mesabrowsky, Muschinsky, Kallowitsch, Hankjewitsch, Golatzky, Nickelsky, u.a.) ins Land bringen. In der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts wanderten ausserdem deutschsprachige Arbeiter aus der Gegend von Radautz und aus anderen Bukowiner Ortschaften zu.

So entstand um 1800 an linken Ufer der Goldenen Bistritz, neben dem rumänischen Weiler Kirlibaba (am Kirlibabaflüsschen), das Zipser Dorf Cirlibaba Veche (Mariensee, bekannt nach dem Besitzer der Blei- und Silberbergwerke), und am rechten Ufer wurde – ebenfalls durch Zipser Einwanderer – etwa zur gleichen Zeit die Siedlung Cirlibaba Nouă (Ludwigsdorf) gegründet. Nachdem aber Ludwigsdorf in Siebenbürgen lag und Mariensee im Buchenland, verlief “die Grenze” in der Mitte der Goldenen Bistritz, während die Brücke, die heute beide Ortschaften vereint, der Grenzübergang” war.

Im Laufe des vorigen Jahrhunderts siedelten sich deutsche Waldarbeiter auch in umliegenden Weilern an, in Ţibău (Zibau – die Familien Feldigel, Limbacher, Schnur, Kirchdraufer) und Edu (Jedt – die Familien Bosetschuk, Häuser, Wenzel). In Zibau wurde übrigens am 31. August 1911 der Arbeitsdichter Kubi Wohl, Sohn eines Holzfällers, geboren; Kubi Wohl, “eine frühverstummte Dichterstimme des kämpfenden Proletariats” (Alfred Kittner), starb am 21. Dezember 1935 in Czernowitz (siehe “Neue Literatur”, Nr. 4, 1978, S. 83-84). Zu erwähnen ware auch, dass ein Literatur- und Kunstfreund, Ferdinand Weiss, um 1900 in Mariensee einen Verlag gegründet und hier ausser vielen bunten Ansichtkarten aus der malerischen Gegend auch einige Heftchen mit Liedtexten gedruckt hat.

Als um 1870 die Manz’schen Bergwerke entgültig geschlossen werden mussten, lernten die Zipser um – sie wurden Holzfäller und Flösser, und fanden schlechtbezahlte Arbeit im Sägewerk. Geflösst wurde entweder bis Ortoaia (Orth am Schwarzbach) und Vatra-Dornei (Dorna-Watra) oder bis hinunter nach Bacău. Damals entstanden die weiter oben gelegenen Siedlungen und Weiler Birşaba (Byrschau, Byrschawa), Lala (Lallathal), Rotunda, Valea Stindei (Hüttenthal) und Sesure (Schessu). Schessu – eine Gründung der Holzarbeiter Reitz, Duschek, Hellinger, Lemberger, Schnur, Kulinjak, Muschinsky (aus Berschau), Wenzel (aus Lallathal) und Häuser (aus Hüttenthal) – soll seinen Namen daher erhalten haben: die Flussau im Tal gleicht einer runden Schüssel; “Schessu” bedeutet auf Ziperisch “Schüssel’.